Paranoid Park

Originaltitel
Paranoid Park
Land
Jahr
2007
Laufzeit
85 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 28. Dezember 2010

 

Manchmal erschafft der Soundtrack eines Films eine ganz besondere Stimmung, die den Film und seine Erzählung wunderbar zusammenfasst. In Gus van Sants neuem Film "Paranoid Park" ist dies auch der Fall. Es gibt Momente, die der Regisseur bewusst mit den verhaltenen, leisen und melancholischen Klängen des tragisch ums Leben gekommenen Singer-Songwriters Elliott Smith unterlegt. Auf diese Weise greift van Sant das Grundmotiv seines Films wieder auf und vermittelt einen wirklich eindrucksvollen Einblick in den Moment des Erwachenswerdens. Und so ist "Paranoid Park" auch eine Coming of Age-Geschichte geworden.

Irgendwo in Portland steht der Paranoid Park. Der einzig wahre Treffpunkt für alle, die meinen das Skateboard perfekt zu beherrschen. Auch Alex (Gabe Nevins) träumt von der Freiheit, die man angeblich in diesem ganz besonderen Skaterparadies erleben kann. Doch als er sich eines Tages mit seinem besten Kumpel Jared (Jake Miller) auf den Weg dorthin macht, fragt er verunsichert: "Bin ich überhaupt bereit für den Paranoid Park?" Daraufhin antwortet Jared: "Niemand ist jemals bereit für den Paranoid Park." Es soll das unumstößliche Credo des ganzen Films werden. Alex wird großen Mist bauen. Er möchte mit einem älteren Jugendlichen auf einen Güterzug in der Nähe des Skaterparks springen. Dabei passiert das denkbar Schlimmste. Sogar die Polizei wird bald in Alex' Umwelt eindringen und ermitteln.

Wie schon in seinem preisgekrönten Film "Elephant" und dem Nachfolger "Last Days" ist ein Schritt für Schritt enthüllter und nach gängigen Erzählmustern geformter Plot nicht van Sants Sache. Vielmehr würfelt er Anfang und Ende der Geschichte wild durcheinander. Narrativ nähert er sich in immer kleiner werdenden Schleifen jenem fürchterlichen Ereignis an. Dabei ist er nie linear oder geradeaus. Er folgt, wie durch ein unsichtbares Seil verbunden, seinen Charakteren durch den Alltag. Es gibt Szenen, die sich wiederholen, und Einstellungen werden sehr frei und assoziativ aneinandergereiht.
Es ist dieselbe Arbeitsweise wie bei seinen letzten beiden Filmen. In "Elephant" verfolgte er die Ereignisse rund um ein Schulmassaker ähnlich dem an der Columbine Highschool. Im darauf folgenden "Last Days" verknüpfte der Regisseur eine wunderbar meditative Atmosphäre mit der Schilderung der letzten Tage im Leben eines jungen Rockstars. Mit "Paranoid Park" beendet Gus van Sant nun seine Adoleszenz-Trilogie. Alle drei Filme beobachten und erforschen die Abgründe an den Umbruchkanten des Erwachsenwerdens. Dabei gelingt es van Sant besonders gut, ein unsagbar ergreifendes Gefühl der Verlorenheit und der Unangepasstheit zu erschaffen. Die Jugend von heute, so wie sie seine Filme zeigen, ist nicht bereit für den nächsten Schritt ins Erwachsenenleben. Wie hieß es doch gleich im Film: "Niemand ist bereit für den Paranoid Park."
Besonders gut eignet sich daher auch die Subkultur der Skater, die im Fokus von "Paranoid Park" steht. Aus der Surferbewegung der 60er Jahre entstanden, steht die Skaterkultur wie vielleicht keine andere Jugend-Subkultur für einen individualisierten Lebensausdruck. Gus van Sant, der das Drehbuch nach der gleichnamigen Erzählung von Blake Nelson entwarf, verzichtete auf ausgebildete Schauspieler und castete seine Darsteller per Myspace-Inserat. Schließlich wurden nahezu alle Hauptrollen mit Laien aus dem US-amerikanischen Skatermilieu besetzt. Das Ergebnis ist eine hypnotische Natürlichkeit und ein ständiges Gefühl der Authentizität, welches das Handeln der Protagonisten umhüllt und begleitet.

Alex schreibt alles auf. Auch den großen Fehler den er begangen hat. Doch in seine Schilderungen schleicht sich immer wieder auch eine verzweifelte Sinnsuche ein. Seine Freundin Jennifer (Taylor Momsen) ist zwar seine Freundin, aber die große Liebe ist es nun wirklich nicht. Zunächst will sie keinen Sex, doch als es dann soweit ist, müssen wir mit ansehen, wie van Sant das vermeintlich magische und besondere erste Mal auf äußerst direkte Weise entzaubert. Deshalb liegt Alex danach auf dem Bett und guckt desillusioniert ins Leere. "Das war's also? Mehr nicht?", scheint er zu denken. Jennifer ist derweil schon ins Bad gerannt, um alles aufgeregt ihrer Freundin per Handy zu erzählen. Erwachsene kommen in dieser Geschichte so gut wie gar nicht vor. Sie sind Schattenwesen in einer turbulenten pubertären Welt. "Paranoid Park" erarbeitet sich auf wunderbare Weise den Moment an dem die Jugend aufhört und ein neues Leben langsam beginnt.
Es ist eine Welt des Umbruchs, und dazu gehören ganz besondere Bilder, die dies einfangen. Für "Paranoid Park" engagierte Gus van Sant den Kameramann Christopher Doyle, vor allem bekannt für die Traumwelten eines Wong Kar Wai, die er mit seinen Bildern zum Leben erweckte. Er schenkt uns hier Bilder voller Grazie und Schönheit, lässt die Skater fliegen und pulsierend über die Hochs und Tiefs des Skateparks gleiten. Es gibt keine Grenzen, die sie nicht durchbrechen könnten. Doyle drehte Teile des Treibens im Super 8-Format, eine klare Reminiszenz an die frühen Skaterfilmer, die ihre Stunts immer auf Super 8 festhielten. Es sind Bilder der Vergangenheit und einer trüben Erinnerung an eine bessere und sorglosere Zeit.
Und so erschafft "Paranoid Park" durch seine eleganten Bildkompositionen, einen unwiderstehlich ehrlichen Grundton der Melancholie und ein durchgehendes Gefühl von emotionaler Verunsicherung. Man wird vielleicht lange suchen müssen, um wieder einen Film zu finden, der die Zeit des jugendlichen Umbruchs so perfekt in stimmungsvoll aufgeladene Bilder packt.


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