Owning Mahowny

Originaltitel
Owning Mahowny
Land
Jahr
2003
Laufzeit
104 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 28. Dezember 2010

 

Er sitzt an einem Blackjack-Tisch und spielt. Immer weiter. Fast regungslos. Er will nichts essen, er will keine Gesellschaft. Er will keine Frauen, und er will kein tolles Hotelzimmer. Er will nur spielen. Er will noch nicht einmal gewinnen, höchstens, um mehr Geld zum spielen zu haben. Und er spielt, bis um sechs Uhr morgens das Casino schließt, oder bis sein gesamtes Geld weg ist. Dann fährt er nach Hause, in die Bank, für die er als Fond-Manager arbeitet, zwackt ein bisschen mehr Geld ab, fährt zurück, und spielt weiter. Das trieb der Kanadier Dan Mahowny, einer der berühmtesten Zocker aller Zeiten, über Monate so. Als er 1982 festgenommen wurde, hatte er mehr als zehn Millionen veruntreute Dollar auf den Spieltischen von Atlantic City und Las Vegas gelassen. Als er verhaftet wurde, wollte Mahowny als erstes in seiner Bank anrufen - um zu erklären, warum er zu spät zur Arbeit kommt.
"Owning Mahowny" ist nun die Verfilmung dieser Geschichte, die sich als komplexes Charakterporträt des stillen, zurückhaltenden Mahowny vor allem als superbe Bühne für die Schauspielkunst des Philip Seymour Hoffman erweist. Der hat schon seit über einem Jahrzehnt als einer der talentiertesten Nebendarsteller Hollywoods so manch großem Namen die Show gestohlen, in dieser Independent-Produktion steht er nun ganz allein im Rampenlicht - und legt erwartungsgemäß eine brillante, fein nuancierte Vorstellung hin, um den vollkommen introvertierten Mahowny auf der Leinwand zum Leben zu erwecken. Ein ruhiger, verlässlicher und unauffälliger Typ, dessen innere Aufruhr höchstens in einem minimalen Flackern in den Augen an die Oberfläche tritt - und ohnehin nur bei seiner einzigen Leidenschaft: Wetten, spielen, zocken.
So erweist sich "Owning Mahowny" denn auch vor allem interessant als Kennenlernen dieses Menschen, der sämtliche Aufmerksamkeiten seiner Umwelt abschlägt und vergisst, wenn er spielen kann. Für seine nette Freundin Belinda (Minnie Driver) gilt das genauso wie für die Annehmlichkeiten, die ihm der Casino-Manager Victor Foss (John Hurt) zukommen lassen will, als er die Unsummen registriert, die Mahowny an seinen Spieltischen lässt: Die edle Suite nutzt er kaum, die Prostituierte, die ihm geschickt wird, schickt er wieder weg, und das speziell für ihn bereitete Essen fast er auch erst an, als er nicht mehr weiterspielen kann.
Diesem gänzlich monomanischen Menschen zuzuschauen, ist tatsächlich (vor allem durch die Darstellung Hoffmans) ein Spektakel für sich. Das Problem an "Owning Mahowny" ist, dass sonst nicht viel übrig bleibt. Regisseur Richard Kwietniowski konzentriert sich voll und ganz auf Mahownys Karriere als Casino-Tourist in Atlantic City - und verweigert dem Publikum die gesamte Vorgeschichte. Zu Beginn des Films erhält Mahowny von seiner Bank die Beförderung, die ihm den Zugang zum richtig großen Geld ermöglicht - ein Spielsüchtiger ist er da allerdings schon lange (der echte Mahowny gestand, seit seinem zwölften Geburtstag nie länger als drei Tage keine Wette platziert zu haben). Für die Entwicklung dieser Sucht, und damit für die gesamte Geschichte von Mahowny, scheint sich Kwietniowski aber gar nicht zu interessieren.
Durch die fehlende Exposition wirkt auch das restliche Szenario relativ dahingeklatscht: Relevante Nebenfiguren wie Belinda, Victor Foss oder Mahownys Wett-Buchhalter werden mehr oder weniger achtlos in die Handlung geworfen ohne viel Gelegenheit, Substanz zu entwickeln. Mit ihnen werden auch Spannungsbogen und eine interessante Storyentwicklung der detailgenauen Beobachtung Mahownys untergeordnet. Die ist zugegebenermaßen hervorragend ausgeführt: Ganz beiläufig registriert man anfangs das billige Auto Mahownys, seine billigen Anzüge und das billige Abendessen, und diese Kleinigkeiten fügen sich langsam zusammen zum Gesamtbild eines Mannes, der tatsächlich jeden Cent, der irgendwo greifbar ist, in irgendeine Wette steckt.
Der langsam wachsende Exzess dieser Spielsucht ist aber eben nur bedingt packend: Nachdem man Mahowny mehrere Male dabei zugesehen hat, wie er ohne Sinn und System seinen Buchhalter einfach irgendwas tippen lässt, nur damit überhaupt eine Wette läuft, und wie er zum wiederholten Male nach einer durchgezockten Nacht den letzten Spielchip über den Blackjack-Tisch schiebt, hat es sich langsam leer gelaufen. Die ewig steigenden Beträge, die er dabei verzockt, können allein nicht wirklich ein Spannungsmoment darstellen.

Wie die Spielsucht für Mahowny selbst alles um ihn herum ausblendet und irrelevant macht, ist er für den Film das Zentrum der ungeteilten Aufmerksamkeit - und das ist über 104 Minuten dann doch ein bisschen wenig. Auch wenn man gerne der Faszination von Hoffmans Wahnsinnsvorstellung verfällt: Sie allein reicht nicht aus, als dass "Owning Mahowny" wirklich überzeugen kann. Die ihn umgebende Story wirkt ähnlich leblos wie die billige Casino-Kulisse, die hier für das Spielerparadies Atlantic City stehen soll. Wer einen wirklich exzellenten Zocker-Film sehen will, halte sich daher besser an Paul Thomas Andersons "Hard Eight". Da spielt Philip Seymour Hoffman zwar nur eine Nebenrolle (wie in jedem Anderson-Film), dafür ist das aber auch ein rundum gelungener Streifen.


Finde den Film etwas unterbewertet, in Hinblick auf beispielsweise 9 Augen für sowas wie Hellboy (auch wenn die Filme nicht vergleichbar sind, ich weiß).

Es ist eben ein sehr stiller, aber beeindruckender Film. Und im Gegensatz zum Rezensenten finde ich schon, dass allein Philip Seymour Hoffman es mit Leichtigkeit schafft, den Film 104 Minuten zu tragen.

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9
9/10

6 punkte...
versteh nicht wie man so einer faszinierenden charakterstudie nur 6 punkte geben kann und diverse andere "schrott" filme mit mehr bewertet aber seis drum.
allein das spiel des hoffman ist schockierend und faszinierend zugleich. selten so eine starke schauspielerische leistung gesehen. obwohl er selber seine gefühle im verborgenen hält leidet der zuschauer den kompletten film mit seinem charakter mit. ein selbstzerstörungslauf den ich selten so im kino gesehen hab. obwohl er im film ice man genannt wird und auch dementsprechend spielt, is es hoffman und u.a. auch dem kammeramann zu verdanken das man doch immer wieder in sein innenleben reinblicken kann. kleine gesten. etwas schweiß auf der brille, die kleinen zuckungen... genial. minimalismus pur der aber eine unglaublich große wirkung auf den zuschauer hat.
ich erinnere hier nur mal an jim jarmushs film stranger than paradise. kleines spiel ganz groß.

unfassbar wie man den film nur mit 6 bewerten kann. nochmal unglaublich intensive charakterstudie. brilliant gespielt. ein genuß für alle die abseits des mainstream kinos unterwegs sind!!!

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