Nurse Betty

Originaltitel
Nurse Betty
Land
Jahr
2000
Laufzeit
108 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Larissa Vassilian / 9. Januar 2011

„General Hospital“, „Chicago Hope“ und „Emergency Room“: Hübsche Mädels in Schwesternkluft, smarte Docs und ein bißchen Blut - was will man mehr. Das Erfolgsrezept der Krankenhausserien bannt Millionen von Menschen Woche für Woche vor ihre Fernsehgeräte. So auch die unscheinbare Kellnerin Betty Sizemore im öden Kansas, die die Episoden der Daily Soap „A Reason to Love“ wahrlich verschlingt. Und weil ihr eigenes Leben im amerikanischen Provinznest als Ehefrau eines herumscharwenzelnden Gebrauchtwagenhändlers ein Graus ist, ist es nicht weiter verwunderlich, daß ihr Herz für den perfekten und aalglatten TV-Traum-Doc Dr. David Ravell entbrennt.
Doch das Schicksal spielt manchmal komische Streiche: Bettys Ehemann wird nach einem diletantischen Drogendeal vor ihren Augen ermordet, und schon bald darauf sind die Killer hinter der stark traumatisierten Kellnerin her. Die ist allerdings inzwischen auf dem Weg nach Hollywood, denn sie hält sich, Trauma sei Dank, inzwischen für eine Krankenschwester sowie die Ex-Verlobte ihres angebeteten TV-Doktors. Sehr vertrackt, das Ganze, aber einfach gut. 

Die Besetzung allein läßt schon ahnen, was man von diesem Film erwarten kann: Da ist die naiv und schüchtern wirkende, hochanständige Betty, gespielt von der Texanerin Reneé Zellweger („Jerry Maguire“, „Der Junggeselle“). Ständig hat man als Zuschauer Angst um sie, will sie beschützen, ihr den richtigen Weg zeigen und ihr behutsam den Kopf tätscheln. 
Gejagt wird Betty von zwei bezaubernden Ganoven: Zum einen ist da Charlie, gespielt von dem mittlerweile 63-jährigen Morgan Freeman. Charlie ist ein Auftragskiller, er macht seine Jobs professionell, wohl überlegt und sauber. Betty soll sein letztes Opfer sein, bevor er sich in Florida zur Ruhe setzt. 
Begleitet wird Charlie von dem hitzköpfigen Wesley, gespielt von dem verbal übersprudelnden und dabei gerne auch giftigen Stand-Up-Comedian Chris Rock. Der flucht in aberwitzigem Tempo und fuchtelt mit seiner Kanone rum wie ein Irrer. Wie man ihn eben kennt. 
Und schließlich ist da noch der smarte, charmante und gutaussehende Soap-Darsteller George, alias Greg Kinnear. Keine Ahnung von Erster Hilfe, aber ein perlweißes Lächeln im Gesicht.

Regisseur Neil LaBute hat sich äußerste Mühe gegeben, seinen dritten Spielfilm möglichst authentisch wirken zu lassen. Für die eingeblendeten Szenen aus der fiktiven Soap engagierte er eigens Kameramänner und Cutter von echten Seifenopern. Eine Beraterin von „Chicago Hope“ gab ebenfalls Tipps. 
In Cannes feierte „Nurse Betty“ Premiere und wurde für die Goldene Palme nominiert, sahnte dann aber in der Sparte Drehbuch ab. Und das nicht zu unrecht: Durch eine clever strukturierte Geschichte und viel Herz für die Figuren bekommt der Zuschauer eine überraschend intelligente und tiefsinnige Abhandlung über den schönen Schein von TV-Universen und Idealbildern geliefert. Es ist dem Film hoch anzurechnen, daß man sich nach dem Ansehen nicht etwa über Soap-Fans lustig macht, sondern ihnen im Gegenteil mit mehr Verständnis begegnet.

Die Idee, dass ein Fan Realität und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten kann, ist nicht neu. Brooke Shields spielte bei ihrem Gastauftritt in der Sitcom „Friends“ bereits vor einigen Jahren ein derartiges Groupie. Aber das stört nicht weiter. Trotz all der fantasiereichen Hindernisse und der enttarnten Klischees bleibt der Film glaubhaft. Er macht sich lustig über die Welt der amerikanischen Seifenopern und zeigt das wahre - leider sehr langweilige - Leben des Durchschnitt-Amerikaners weit ab von Hollywood. Insgesamt ist „Nurse Betty“ eine schöne schwarze Komödie, die einen Teil des amerikanischen Alltags perfekt karikiert und so manchen Fernsehzuschauer zum Schmunzeln bringen wird, wenn er das nächste Mal „Emergency Room“ einschaltet.


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