Aileen Wuornos hat eine geladene Knarre, fünf Dollar in der Tasche und einen Deal mit Gott. Wenn der ihr nicht in den nächsten fünf Minuten etwas zeigt, was ihr Leben lebenswert machen könnte, schießt sie sich eine Kugel in den Kopf. Und in genau diesen fünf Minuten trifft sie in einer Bar die junge Selby (Christina Ricci), die aufgrund ihrer lesbischen Neigung zur erzkonservativen Verwandtschaft geschickt wurde, um "kuriert" zu werden. Zwischen Aileen, der abgewrackten Straßenhure, und Selby, der naiven Göre, entwickelt sich vorsichtig Zuneigung. Und Aileen, die ein Leben lang keine Chance und noch weniger einen Ausweg hatte, erkennt in Selby die Möglichkeit auf ein neues, glückliches Leben. Aber dafür braucht man Geld. Und deswegen kommt Aileens Waffe schon bald doch noch zum Einsatz, und für die Freier, die Aileen in ihr Auto lassen, ist es das Letzte, was sie tun.... Das Problem, der Thematik "Serienmörder" gerecht zu werden, ohne ins Reißerische zu verfallen, erledigt "Monster" noch mit Bravur. Aber die durch den Titel schon implizierte Humanisierung der Protagonistin (Man darf sich fragen, ist sie das Monster, als das die Medien sie hochstilisierten?) und die Parteilichkeit der Geschichte sind da schon eine andere Sache. Denn die komplette Konzentration auf Aileen Wuornos (inklusive "authentischer" Off-Kommentare aus Jenkins' Unterhaltungen mit der Serienmörderin vor deren Ekekution) sorgt für Schwierigkeiten. Da können Frau Jenkins und Frau Theron noch so sehr in die Aufnahmegeräte begieriger Reporter diktieren, dass sie auf keinen Fall Aileen Wuornos glorifizieren wollen. Tatsache ist, dass der Film sich über einen langen Zeitraum zu sehr bemüht, Wuornos' Taten soziologisch zu rechtfertigen. Die ausgesandten Signale sind demnach sehr gemischt, und erst spät, vielleicht zu spät, wenn die Opfer (der dadurch auch eher einfachen Logik des Films nach) eindeutig "unschuldiger" werden, entscheidet sich Regisseurin Jenkins zu der Aussage, dass das, was Wuornos hier tut, falsch ist. Sagen wir es also mal so objektiv wie möglich: Gerade, wenn man mit den Faktoren soziales Umfeld und emotionale (Kindheits-)Traumata operiert, ist es nur ein sehr schmaler Grad zwischen Erklären und Entschuldigen. Und zumindest der Rezensent hat das Gefühl, dass "Monster" mehrere Male deutlich auf der falschen Seite dieses Grades landet. Was bleibt also hauptsächlich? Die monolithische Leistung Charlize Therons, die Nicole Kidmans ebenfalls Oscar-prämierten nosejob ("The Hours") aus dem letzten Jahr in Schande zurücklässt, was Glaubwürdigkeit und Schauspielintensität betrifft. Dass gerade eine so außerordentlich hübsche Darstellerin wie Theron sich derart verunstaltet, hat ja schon zu Häme geführt, und dass dies recht durchsichtig als Frontalangriff gegen ihre bisherigen Rollen als hübsches Beiwerk und als Ruf nach mehr Anerkennung als ernstzunehmende Schauspielerin zu werten ist, ist unbestritten. Solange das aber so erfolgreich und beeindruckend ist wie hier, muss man sich spitze Kommentare verkneifen. Und deswegen: Wenn doch nur mehr Schauspielerinnen, die in ihrer Rollenwahl bisher sehr festgelegt waren, solche Risiken eingehen, solche Mühen auf sich nehmen und dann solche Leistungen bringen würden. Wenn man sich Therons Arbeit in ihrer Gesamtheit betrachtet - nicht nur die angefressenen Speckpolster, sondern die kleinen Gesten, die Augensprache etwa - kann man eigentlich gar keine anderen als lobpreisende Kommentare abgeben. Natürlich sollen die Mühen auch zur Schau gestellt werden, und so saugt sich die Kamera gerade bei den Szenen, in denen Theron halb oder wenig bekleidet ist, an jedem Fettpölsterchen fest oder bleibt auch gerne mal lange in Großaufnahme auf dem mit Zahnprothese und MakeUp geschickt veränderten Gesicht hängen. Aber all das wäre ohne die komplett überzeugende schauspielerische Leistung hinter MakeUp, Kostüm, Prothese und Extrafett nur Makulatur, nur ein Trick. Diese Performance ist echt. Und ganz ehrlich - wüsste man nicht, dass dies Charlize Theron ist, es wäre nicht zu erkennen. Diese Transformation ist nicht nur beeindruckend, sie ist unglaublich. Dagegen kann dann Therons Partnerin nur verlieren, was eigentlich ungerecht ist. Denn Riccis Performance wirkt nur deswegen so deutlich schwächer, weil ihre Figur Selby nicht überzeugend ausgearbeitet ist. Sie bleibt zu skizzenhaft und wird gerade in der zweiten Filmhälfte dank immer formelhafterer Entwicklung nur zur Stichwortgeberin degradiert (so etwa: Selby hat Hunger und beschwert sich, Aileen muss Geld auftreiben und bringt daher den nächsten Freier um). Auch hier wird dann nochmals das Grundproblem von "Monster" deutlich: Mit dem exklusiven Focus auf Aileen Wuornos ist die Sichtweise schlicht zu begrenzt und die Figuren drum herum wirken simpel und klischiert. Dadurch kommt es zu einer paradoxen Situation: Therons ohnehin schon großartige Leistung wird noch deutlicher herausgestellt und sie wirkt noch stärker - der Film aber wird dadurch deutlich schwächer. Nun sollen diese Einwände niemanden zu der Annahme verleiten, "Monster" wäre kein sehenswerter Film, das ist er nämlich ohne Frage. Er ist nur leider aufgrund mangelnder Komplexität und diversen inhaltlichen Fragwürdigkeiten bei weitem nicht das uneingeschränkte Meisterwerk, als dass ihn so mancher US-Kritiker empfindet. Aber Charlize Therons Leistung allein macht den Film zum Pflichtprogramm für jeden Filmfan. Die ist nämlich wahrlich monströs gut. |
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