Mein letzter Film

Jahr
2002
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 5. März 2011

Für einen guten Film braucht man nicht viel mehr als gebündeltes Talent. Mit einem Drehbuch von Literat Bodo Kirchhoff, einem der talentiertesten Inszenatoren Deutschlands - nämlich Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment") - auf dem Regiestuhl, und Ausnahme-Mimin Hannelore Elsner als Hauptdarstellerin, was braucht man da noch? Eigentlich gar nichts. Und darum gibt's auch nicht mehr.
Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt hatte Hirschbiegel 1997 bereits bei der Verwirklichung seines preisgekrönten Zwei-Personen-Krimis "Das Urteil" unterstützt, nun macht sich das kreative Duo auf zum letzten Schritt von Besetzungs-Minimalismus: "Mein letzter Film" ist eine wortwörtlich zu nehmende One-Woman-Show, in der es 90 Minuten Hannelore Elsner pur gibt - und die liefert, wie nicht anders zu erwarten, wieder einmal eine grandiose Vorstellung.
Hannelore Elsner spielt Marie, eine erfolgreiche und populäre Schauspielerin (man sollte hier nicht den Fehler machen, und nach Parallelen zwischen Rolle und Aktrice suchen, denn die gibt es nicht). Marie hat in ihrem Beruf den großen Erfolg erreicht, doch privat blieb ihr dieser verwehrt: Ihre Beziehung mit Richard, ihrem Entdecker, Regisseur und langjährigem Ehemann, ging vor Monaten endgültig in die Brüche, und nun will Marie einen Schlussstrich ziehen. Alte Brücken abreißen, woanders ein völlig neues Leben beginnen. Von einem jungen Kameramann (Wanja Mues, der als einziger anderer Darsteller für wenige Momente auf der Leinwand auftaucht) lässt sie sich filmen, während sie "Ich packe meinen Koffer" spielt - mit Erinnerungen. Nur wenige Dinge nimmt sie mit aus ihrer großzügigen Berliner Altbauwohnung, und alle haben eine ganz besondere Relevanz für die entscheidenden Ereignisse in Maries Leben. Und so kommt in diesem Video-Abschiedsbrief für Richard nach und nach alles auf den Tisch: Die Anfänge, die Hochzeiten (wie in ihren Flitterwochen, an einem Ort, "an dem die Welt ihre Bedeutung für uns verlor") und die Tiefpunkte ihrer Beziehung bis hin zum bitteren Ende, aber auch die anderen Männer in Maries Leben. Paul, der einflussreiche Politiker, der nur ein bisschen Aufregung außerhalb seiner öffentlich vorbildlichen Biedermann-Ehe brauchte, oder Tomas, der berühmte Fußballtrainer, zärtlich und einfühlsam, dem aber der Sport wichtiger war als alles andere. Oder warum hätte er sich sonst mit den Worten: "Es geht jetzt nicht um uns, es geht um den deutschen Fußball …" von ihr verabschiedet.

Ein Projekt wie "Mein letzter Film" ist ein Wagnis, weil nichts anderes bleibt als die Biografie der Hauptfigur und die Fähigkeit der Darstellerin, diese packend und glaubhaft zu transportieren, um die Zuschauer interessiert zu halten. Das gelingt hier durchaus, und das Ergebnis ist ein detailliert ausgefeiltes und gekonnt transportiertes Charakter-Portrait, das sich nicht mit besonders dramatischen Schicksalsschlägen aus der Affäre zieht, um möglichst viel Tragik ins Spiel zu bringen. Maries Erfahrungen, negative als auch positive, bleiben greif- und nachvollziehbar, und gerade deshalb kennt man diese Person am Ende des Films auch wirklich gut.
Das einzige Problem, dass der hier so notwendige Realismus entstehen lässt, kommt auf im Kontrast zur Sprache des Drehbuchs: Kirchhoffs Monologe sind stark geschrieben und geizen nicht mit prägnant-poetischen Reflexionen über die Unmöglichkeit des Zusammenseins und der ewigen Suche nach dem Partnerglück ("Frauen vergessen ihre kurzen Lieben nie, bis sie zu Phantomen werden. Männer interessieren sich nur für Phantome - den Mensch bemerken sie erst, wenn es zu spät ist."). Einzig, es klingt einfach zu sehr geschrieben. Es fehlt den Worten an spontaner Natürlichkeit, der Eindruck, dass Marie hier einfach erzählt, was ihr gerade in den Kopf kommt, will sich nie wirklich einstellen. Trotz der redlichen Versuche von Hirschbiegel und Elsner, die Monologe zu glätten und weniger nach Vortrag klingen zu lassen, bleiben sie sprachlich doch zu ausgefeilt.
Bei aller spielerischen Brillanz von Elsner wird man daher das Gefühl nie los, einer Theater-Inszenierung beizuwohnen, was grundsätzlich nicht schlecht sein muss, hier aber dem Publikum das entscheidende Bisschen im Weg steht, um sich komplett auf den Film einlassen zu können. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die beeindruckendste Szene mit der tiefsten Aussage - die allerletzte - wortlos bleibt: Hier fängt Hannelore Elsner in wenigen Momenten und Gesichtsausdrücken das Resümee von 90 Minuten Dauer-Monolog ein, und lässt die bemühten Worte Kirchhoffs so mit spielerischer Leichtigkeit hinter sich. Ob "Mein letzter Film" im Kino so gut aufgehoben ist, darüber lässt sich streiten, aber ein Urteil ist am Ende klar: Was für eine Schauspielerin!


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