Manderlay

Originaltitel
Manderlay
Land
Jahr
2005
Laufzeit
137 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Kai Kollenberg / 21. Juni 2010

Wenn es einen Regisseur gibt, der sich zurzeit an einem Thema abarbeitet, dann ist es wohl Lars von Trier, denn der setzt sich derzeit eigentlich nur (und äußerst kritisch) mit den USA auseinander. Schon vor drei Jahren legte er mit dem ersten Teil seiner Amerika-Trilogie "Dogville" seine Interpretation der amerikanischen Werte vor und schrieb zudem das Drehbuch zu Thomas Vinterbergs Film "Dear Wendy", der die amerikanische Faszination für Waffen genauer unter die Lupe nahm. Nun legt von Trier den zweiten Teil seiner Amerika-Trilogie vor: "Manderlay". Und nachdem es ihm in "Dogville" vor allem die amerikanische kleinbürgerliche Idylle angetan hatte, seziert er nun amerikanische Werte wie Gleichheit und Freiheit.

Nachdem Grace (Bryce Dallas Howard) mit ihrem Vater (Willem Dafoe) Dogville und seine Gangsterbande hinter sich gelassen hat, treffen sie auf ihrem Weg durch die Südstaaten auf die Baumwollplantage Manderlay. Hier werden immer noch - wir schreiben das Jahr 1933 - Schwarze als Sklaven gehalten. Grace beschließt diesem Zustand ein Ende zu setzen und befreit die Sklaven. Doch schon bald muss sie einsehen, dass sich ihre Version von einer Welt ohne Unterdrückung schwierig gestaltet, können doch die ehemaligen Sklaven nichts mit ihrer Freiheit anfangen. Drum beschließt Grace, ihnen bei diesem Unterfangen unter die Arme zu greifen.

War von Trier Mitte/Ende der Neunziger noch ein glühender Verfechter des "Dogma 95", hat er - so scheint es - ein neues Steckenpferd gefunden. Wie schon in "Dogville" reduziert er das szenische Umfeld seines Filmes komplett, bis eigentlich gar nichts mehr übrig ist. Gedreht wurde in einer großen Halle, die mit schwarzem Tuch ausstaffiert war. Lediglich ein paar weiße Striche auf dem Boden und einzelne Gegenstände verdeutlichen Häuser oder Sträucher. Dennoch gibt es ein paar Neuerungen: An Stelle von Nicole Kidman gibt nun Bryce Dallas Howard ("The Village") die Grace und Willem Dafoe ("Spider-Man") anstatt James Caan ihren Vater. Und hier liegt auch die größte Überraschung: Bryce Dallas Howard kann sich durchaus mit Nicole Kidman messen. Legte Kidman die Grace zarter an, bereichert Howard die Figur um eine neue Dimension. Ihr kindlicher Enthusiasmus und ihr Trotz treten stärker in den Vordergrund als in "Dogville". Grace ist zorniger, entschlossener ihre Ideale durchzusetzen. Sie wirkt echter als die Grace Nicole Kidmans. Der Zuschauer kann ihr ihre naiven Ansichten eher verzeihen. Sie wird somit zum idealen Träger für Lars von Triers Absicht der kritischen Analyse und offenen Provokation.

Eines vorneweg: Die Provokation, aus der sich "Manderlay" speist, hat weniger mit dem realen Zustand der Rassentrennung als mit der Frage zu tun, wie man Freiheit definiert. Es steht wie in schon in "Dogville" nicht so sehr das reale Amerika im Mittelpunkt des Films. Es ist vielmehr das Ideal, das Lars von Trier und ein großer Teil der Welt immer noch von den USA hatten bzw. haben: Sie sehen die USA als ein Land, wo alle Menschen frei sind, wo das Geld auf der Straße liegt, wo jeder, wenn er denn nur arbeitet, etwas aus sich machen kann. Und eben diese amerikanischen Werte, die in vielen Augen das Urideal einer Demokratie darstellen, nimmt Lars von Trier Stück für Stück auseinander. Der Gedanke, den Film auf eine bloße Kritik am amerikanischen Vorgehen im Irak zu degradieren - stülpt Grace doch ähnlich wie die jetzige amerikanische Regierung demokratische Strukturen der Bevölkerung über - läuft ins Leere. Lars von Trier will mehr.
Er will analysieren, wie Menschen mit ihrer Freiheit umgehen, was Freiheit heißt und wie man sie etablieren kann. Dazu ist ihm jedes Mittel Recht. Von Trier polemisiert, vereinfacht Sachverhalte, provoziert offen mit Schlussfolgerungen, die er aus den Geschehnissen auf der Leinwand zieht. Hierbei kommt ihm sein oben erwähntes Set-Konzept zu Gute, lenkt doch keine üppige Ausstattung, kein Dekor von dem parabelhaften Charakter seiner Geschichte ab. Von Trier schafft es anschaulich, die sozialen Dimensionen von Freiheit und Unfreiheit einzufangen und hervorzuheben, welche Gefahr auch in einem übertriebenen Demokratieverständnis lauert, dass von der Kette gelassen wird. Und doch überspannt von Trier manchmal den Bogen wie bei Graces sexuellen Fantasien. Hier wirkt der Film nur wie ein schlecht geschriebenes Schultheater mit viel Anspruch und wenig Substanz. Vor allem die Schlusswendung des Films ist ein harter Brocken. Man kann es durchaus zynisch nennen, welche Erklärung von Trier hier dem Zuschauer bietet.

Von Trier ist mit "Manderlay" nicht vollends auf der Höhe seiner Kunst, wie er es mit "Dancer in the Dark" war. So kann man hoffen, dass von Trier - trotz aller Stärken von "Manderlay" - im Schlussteil seiner Amerika-Trilogie dem Zuschauer seine Provokationen nicht allzu sehr um die Ohren haut. Denn ansonsten verliert er wie hier zeitweise die Geschichte aus den Augen.


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