Live By Night

Originaltitel
Live By Night
Land
Jahr
2016
Laufzeit
129 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Simon Staake / 30. Januar 2017

Joe Coughlin (Ben Affleck) ist ein Krimineller zur richtigen Zeit für diesen Beruf – der amerikanischen Prohibitionszeit. Er behauptet von sich, ein Gesetzloser zu sein, aber kein Gangster. Für die beiden sich bekriegenden Mafiabosse in Boston, den Iren Albert White (Robert Glenister) und den Italiener Maso Pecadore (Remo Girone), machen diese semantischen Feinheiten keinen Unterschied, beide wollen Coughlin für ihre Geschäfte einspannen. Eine Situation, die durch Coughlins Liaison mit Whites Geliebter Emma (Sienna Miller) und die Tatsache, dass sein Vater Thomas (Brendan Gleeson) Polizist ist, noch verkompliziert wird...
 

Gangster? „Live By Night“? Da war doch was? Nein, liebe Leser, bei Ben Afflecks neuestem Film handelt es sich mitnichten um ein Remake von Nicholas Rays Film Noir-Miniklassiker „They Live By Night“, sondern um eine Verfilmung eines Krimis von Denis Lehane. Und Lehane auf der Leinwand, das war bisher ein ziemliches Qualitätsmerkmal: Clint Eastwood begann mit „Mystic River“ eine Reihe von Meisterstücken, Affleck selbst beeindruckte mit seinem Debüt „Gone Baby Gone“ und auch Scorseses „Shutter Island“ hatte ja durchaus seine Momente. Diese Serie wird nun allerdings ein wenig durchbrochen, genauso wie die von Affleck selbst. Dessen bisherige Filmographie als Regisseur war ja bisher so gut wie ohne Makel (siehe auch "The Town" und sein Oscar-gekrönter letzter Film "Argo"), mit „Live By Night“ liefert er leider nun seine erste richtige Enttäuschung ab.

Langatmig und spannungsarm, noch dazu ohne erkennbares emotionales Gerüst, das diese Gangsterballade vielleicht zusammenhalten könnte - „Live By Night“ ist der erste Film, der die Fehler macht, die Affleck als Regisseur bisher so gut vermieden hat. Hier wirken die emotionalen Momente zum ersten Mal nur behauptet statt gefühlt und Affleck selbst liefert hier auch seine schwächste Vorstellung unter Eigenregie ab. Ein wirklich großer Schauspieler wird aus Affleck dem Älteren ja nicht mehr (während sein junger Bruder gerade in „Manchester By The Sea“ seine Lehrjahre mit Diplom abschloss) und hier ist er wie in diversen seiner großen Studiofilme, besonders aus den Jahren, als er Dauergast in der Klatschpresse war: kompetent, gutaussehend, aber eben auch blass und scheinbar ohne Innenleben. Sein Joe Coughlin bleibt eine Figur ohne Konturen und somit eine, die nur schwierig einen Film zusammen halten kann, was dann eben auch nicht funktioniert. Und da Affleck hier Regisseur, Autor und Hauptdarsteller in Personalunion ist, ist das auch tatsächlich alles seine Schuld.

Nicht alles an „Live By Night“ ist enttäuschend, ganz im Gegenteil: Ausstattung und Kamera sind erlesen, visuell gibt es so einiges zu bewundern hier. Und die Armada von fähigen Charakterdarstellern, die Affleck hier auch für Kleinrollen angeschleppt hat, macht ihre Arbeit erwartungsgemäß gut – weswegen es natürlich schade ist, dass diese Beiträge nicht im Dienst eines besseren Films stehen. Überhaupt erinnert Afflecks Regie hier an die von Eastwood in den mittleren und späten 1990ern: Das ist alles weitestgehend fein gespielt, technisch makellos und – ähem – ein bisschen langweilig. Wo Eastwoods „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ eigentlich „Mitternacht im Garten der endlosen Langeweile“ hätte heißen müssen, wird es bei „Live By Night“ nie so schlimm, dass man fast wegschläft, aber eine Straffung um mindestens 20 Minuten hätte diesem Film zweifellos gut getan.

Was wohl ebenfalls in der Mission der Unterhaltung hilfreich gewesen wäre: Ein oder zwei Plotüberraschungen vielleicht. Wer hier nach dem Wechsel des Handlungsorts vom winterlichen Boston ins sonnige Florida ahnt, wohin der Plothase laufen wird, der liegt hier weitestgehend richtig. Daher hätte man zumindest das Gaspedal ein bisschen mehr durchdrücken können, anstatt im gemütlichen Bummeltempo noch alle Sehenswürdigkeiten mitzunehmen. Zu denen gehört offenbar auch Zoe Saldanas Po, der wird nämlich vom alten Schelm Affleck und seinem Kameramann immer wieder gezielt eingefangen. Geschmack hat er immerhin, der Ben, wenn dieses Mal eben auch nicht das beste Händchen für Inszenierung und Schnitt.

„Live By Night“ ist elegantes und erlesenes, aber eben auch steifes und wenig aufregendes Ausstattungskino. Wenn dann gegen Ende des Films, als man die Hoffnung fast schon aufgegeben hat, doch noch mal so richtig schön die Kugeln fliegen, ist das ganze ein typischer Fall vom sprichwörtlichen too little, too late. Ein paar mehr dieser Actioneinschübe hätte es vielleicht gebraucht, zumindest aber mehr Zug in der Handlung. Von den diversen Plotsträngen und -strängchen bleibt dann eigentlich auch nur die Konversation zwischen Coughlin und Loretta Figgis (Elle Fanning) in einem Café hängen, und insgesamt hätte man aus der Geschichte um den relativ jovialen Sheriff Figgis (Chris Cooper) und seine Tochter vielleicht noch mehr rausholen können – auch Cooper gehört zu den oben beschriebenen Charakterdarstellern, die man immer wieder gerne sieht und die hier zu wenig zu tun haben.

Warner Brothers war ja in den 1930ern und frühen 1940ern das Filmstudio für Gangsterfilme in Hollywood, und wenn Afflecks Film mit einem auf alt getrimmten stilisierten Logo des Studios beginnt, ahnt man was Affleck hier vorgehabt hat und hat gleichzeitig ein Omen dafür, warum der Film nicht funktioniert: Zu klassisch, zu sehr in Genrekonventionen verhaftet, letztlich zu uninteressant. Das Nachtleben war, auch in Afflecks Gangsterkreisen, definitiv schon mal aufregender.

Bilder: Copyright

6
6/10

Die Rezension ist schon etwas harsch, da ich den Film zwar als ruhig, doch durchaus nicht als langweilig empfand - dennoch trifft die Kernkritik: Es mangelt an "Gangster Action".

Ben Affleck hat schon seine eigene Art, Filme zu machen. Das macht den Reiz seiner Arbeit aus (wie zB "The Town", großartig), kann aber auch irgendwie am Ziel vorbei gehen (Oscar hin oder her, "Argo" wollte bei mir nicht zünden).
"Live by Night" nun ist tatsächlich nicht "Noir", und ich schätze, genau dort liegt der Mangel. Hier fehlt einfach eine Schippe mehr Sündenpfuhl und, sorry, die ein oder andere Kugel mehr im Kopf. Dafür gibt es eine Menge an Charakterzeichnung und eben auch einige gelungene Verfolgungsjagden und Ballereien.

Affleck nimmt seine Kunst Ernst, es ist nicht jedes Mal ein Volltreffer; doch "Live by Night" kann man sich durchaus ansehen, speziell als Fan von Gangsterfilmen. (Bei "Nocturnal Animals" wäre ich fast weggepennt, bei dem hier nicht).

Permalink

"Hier wirken die emotionalen Momente zum ersten Mal nur behauptet statt gefühlt und Affleck selbst liefert hier auch seine schwächste Vorstellung unter Eigenregie ab."

Amen.
Kann der Kritik nur zustimmen. Habe bereits nach 30 Minuten begonnen, unruhig auf meinem Sitz hin- und herzurutschen. Sehr langatmig.

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