L'enfant

Originaltitel
L'enfant
Jahr
2005
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Anna Sola / 27. Februar 2011

 

Anstatt selbst zu arbeiten, lässt Bruno (Jérémie Rénier, "Der Pakt der Wölfe") lieber andere für sich klauen und vertickt dann die Ware. Auch die Wohnung seiner Freundin Sonia (Déborah François) vermietet er weiter, als diese zur Entbindung im Krankenhaus ist. Anstatt seine kleine Familie dort abzuholen, macht er lieber Geschäfte, bis Sonia ihn aufsucht. So lebt Bruno verantwortungslos vor sich hin, bis ihm seine Freundin einen Strich durch die Rechnung macht. Sie erwartet nämlich, dass er sich mit ihr um den kleinen Jimmy kümmert, und mit dieser Aufgabe ist der junge Mann vollkommen überfordert. Hilflos tut Bruno das, was er am besten kann: er verkauft das Kind. Widererwarten freut sich Sonia nicht über die schnell verdienten 5000 Euro, sondern kollabiert als sie erfährt, was Bruno getan hat. Langsam beginnt er zu verstehen, dass "ein neues machen" (wie er es ausdrückt), für die Mutter keine akzeptable Lösung ist.

Der belgische Publikumserfolg und diesjährige Gewinner der goldenen Palme von Cannes konfrontiert das Publikum mit einer Geschichte, die wohl weitaus gewöhnlicher ist als man zugeben mag. Schließlich hieß es schon bei Brecht, "erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral". Die Brüder Dardenne ("Der Sohn") zeigen in ihrer Parabel "L'enfant", dass alles (ver)käuflich ist, sogar das eigene Kind. Ihre Figuren sind Opfer ihrer schlechten sozialen Stellung und fehlender Lebenserfahrung.
Somit bezieht sich der Titel nicht nur auf das Baby, dessen Existenz alles verändert, sondern auch auf Bruno und Sonia, die beide selbst noch wie Kinder sind. Als solche werden sie wiederholt dargestellt, zum Beispiel in den Szenen, in denen die beiden verliebt und sorglos "fangen" spielen. Anfangs sind diese Parallelen noch überzeugend, jedoch kommen die Regisseure immer wieder auf diesen Punkt zurück, bis es dem Zuschauer fast zuviel wird. Die Anspielungen sind nämlich eher platt und offensichtlich.
Allerdings wird durchaus die Frage aufgeworfen, inwiefern Bruno seines eigenen Unglückes Schmied ist. Schließlich ist er alt genug, um zu wissen, dass man alten Frauen keine Handtaschen klauen sollte und seinem Kind Liebe und Geborgenheit geben sollte, anstatt es mit einer Ware gleichzusetzen. Im Gegensatz dazu wird Sonia konstant als Opfer dargestellt, das sich immer wieder auf Bruno einlässt, obwohl sie wissen müsste, was von ihm zu erwarten ist.

Die Brüder Dardenne erzählen ihre Geschichte so nüchtern und unemotional, dass es schwer fällt, irgendwie mit den Figuren zu fühlen. Das liegt sowohl am naturalistischen, schnörkellosen Spiel der Darsteller als auch an der handgehaltenen Kamera, die dem Film etwas Dokumentarisches verleiht. Auf den sprichwörtlichen erhobenen Zeigefinger wird ebenfalls verzichtet. Einerseits bleiben einem dadurch melodramatische Gefühlsduseleien à la Hollywood erspart, andererseits führt es dazu, dass (je nach Gemüt) dem Zuschauer das Schicksal der Figuren auf der Leinwand leicht egal ist. Ein ambitionierter und anspruchsvoller Film, der es seinem Publikum leider nicht immer ganz leicht macht, dabei zu bleiben.


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