Inside Deep Throat

Originaltitel
Inside Deep Throat
Land
Jahr
2005
Laufzeit
90 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 1. Januar 2010

Kaum zu glauben, aber wahr: "Deep Throat" - ein Pornofilm über eine Frau, deren Klitoris im Hals sitzt und der für 25.000 Dollar produziert wurde - spielt weltweit 600 Millionen Dollar ein. Ein kleiner und nicht gerade guter Schmuddelstreifen löst einen Wirbelsturm an Publicity aus, der die Menschen in Scharen ins Kino treibt und der gleichzeitig der US-Regierung bitter aufstößt, die alle Beteiligten am Liebsten im Gefängnis sähe. Porno ist plötzlich chic und sogar Jackie Kennedy kauft sich eine Eintrittskarte für diese Oralkomödie. Jetzt, 33 Jahre später, kommt ein Dokumentarfilm in unsere Kinos, der das Phänomen unter die Lupe nimmt.

"Deep Throat" , der im Januar 1972 in die Kinos kam, ist eine etwa einstündige Sexkomödie über eine Frau (Linda Lovelace) deren Leben bisher ohne Höhepunkte auskommen musste und die nun von ihrem Arzt (Harry Reems) erfährt, dass ihre Klitoris tief im Rachen sitzt ("Deep Throat" bedeutet in diesem Zusammenhang also sexuelle Befriedigung, die einzig durch Penetration "tief im Rachen" möglich wird). Drei Mal darf man raten, was die Dame auf der Suche nach Orgasmen nun plötzlich am laufenden Band tun möchte. Gekrönt werden diese Höhepunkte dann in Holzhammer-Symbolik mit Glockengeläut und Feuerwerk.

Gerard Damiano, eigentlich Friseur, wollte großer Autorenfilmer werden und versuchte dies über den Weg des Sexfilms, der einfach und billig zu produzieren war. Als er seine Muse Linda Boreman (Pseudonym: Linda Lovelace) traf und sich ihrer Blaskunst bewusst wurde, war ihm klar, dass er damit ein Goldkehlchen gefangen hatte. Prompt schrieb er an einem Wochenende ein Drehbuch, besorgte sich Geld von der Mafia (die damals solche Filme oft finanzierte) und drehte in Florida in sechs Tagen einen kompletten Film. Als der männliche Hauptdarsteller gar nicht erst auftauchte, verpflichtete er den Zweiten Kameramann Harry Reems als neuen Partner von Linda Lovelace. Der Eine haarig, die Andere eher hängebrüstig und Orangenhaut-geschädigt, wurden beide über Nacht zu Stars.

Sogar der Regisseur dieses Machwerkes der Pornogeschichte gab später zu, dass sein Film nicht gerade gut war. Unscharfe Einstellungen, schlechter Schnitt und grottenschlechte Schauspieler hielten die Menschen jedoch trotzdem nicht vom Kinobesuch ab. Aber was genau machte diesen Film nun zum "Rachengold"?

Dieser Frage gehen die Dokumentarfilmer Fenton Bailey und Randy Barbato ("Pornography: The Secret History of Civilization", "Monica in Black and White", eine Doku über Monica Lewinsky) in "Inside Deep Throat" nach. In dieser Dokumentation, die eigentlich zuerst ein Spielfilm über das Leben von Linda Lovelace (1949-2002) werden sollte, befragen sie Zeitzeugen und Mitwirkende danach, wie sie damals mit diesem Film in Berührung kamen - und wie sie zum ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung standen, in dem es auch um freie Meinungsäußerung geht, und auf den sich die Beteiligten im juristischen Nachspiel berufen mussten.
So kommen bei "Inside Deep Throat" neben Damiano und Reems unter anderem der O.J. Simpson-Verteidiger Alan Dershowitz, die Autoren Norman Mailer ("Heere aus der Nacht"), Gore Vidal ("Ewiger Krieg für Ewigen Frieden", Drehbuchautor von "Ben Hur")und Erica Jong ("Angst vorm Fliegen") zu Wort; aber auch der alte Hase und Häschenfreund Hugh Hefner darf sein Urteil abgeben. Sextherapeuten, Frauenrechtlerinnen und Lobbyisten fehlen nicht in dieser illustren Gesellschaft von Experten, und in der Originalfassung fungiert sogar der "Easy Rider" Dennis Hopper als Erzähler aus dem Off.

Aus 800 Stunden Interview-Mitschnitten bastelten das Duo Bailey/Barbado vergnügliche und abwechslungsreiche neunzig Minuten Unterhaltung, die den Zuschauer wie schon das Original köstlich amüsieren können. Damiano, der sich früher als Frauenheld sah, trägt mittlerweile seine Hosen knapp unter den Altmännerbrüsten, und Reems ist ein von Alkoholsucht geläuterter alternder Schönling mit Villa. Diese eher unfreiwillig komischen Gestalten führen auch dazu, dass das eigentlich juristisch-trockene Thema (das Recht auf freie Meinungsäußerung und der Kampf dafür und dagegen) amüsant und kurzweilig dargestellt wird, wofür die Filmemacher auch die lustigsten oder extremsten Ansichten zusammenschnitten. Es werden zwar ernsthafte Bedrohungen durch die Mafia und ihre Geldeintreiberei direkt bei den Kinobetreibern geschildert, doch werden solche Szenen gleich relativiert mit der Darstellung eines Rentner-Ehepaars, bei der die Dame die ganze Zeit ihrem Mann ins Interview jammert, dass die Mafia gleich kommen würde, wenn er nicht den Mund hält.

Für eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema der freien Meinungsäußerung und der Doppelmoral in den USA dringt "Inside Deep Throat" leider nicht tief genug in seine Materie ein. Die Zitate aus den Interviews werden zwar wunderbar montiert und visualisiert, doch bleibt die Bedeutung des Ganzen für ein heutiges Publikum trotz der Meinung der Filmemacher, dass das Thema 2005 so aktuell ist wie in den Siebzigern, auf der Strecke. Diese Dokumentation macht auf jeden Fall viel Spaß und ist modern inszeniert, aber ob die Zuschauer wie damals den Hals nicht voll genug bekommen werden von dieser Geschichte, das wird sich zeigen müssen.

P.S. Regisseur Damiano ist am Ende doch kein Autorenfilmer geworden. In seinem letzten Job arbeitete er als Golf-Caddie in Palm Springs, Florida. Er hat trotzdem einen wichtigen filmhistorischen Beitrag geleistet: Damiano bewies, dass man auch mit einem selbst gemachten Independent-Film erfolgreich sein kann, was in einer Zeit lange vor Sundance dazu führte, dass die Studiobosse sich reihenweise verschluckten. Obwohl Damiano nie Geld für seine Filme bekam, da alle Einnahmen im Schlund der Mafia verschwanden, kann er sich zumindest diesen historischen Triumph auf der Zunge zergehen lassen.

Bilder: Copyright

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