I phone you

Jahr
2011
Laufzeit
95 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von René Loch / 27. April 2011

 

In einer globalisierten Welt ist nichts mehr an feste Orte gebunden, schon gar nicht die Liebe. So oder so ähnlich lautet wohl die Botschaft, die die leicht missglückte Werbezeile "Liebe im World Wide Web" ausdrücken möchte. Um zwei Chinesen in Berlin geht's in der von Wolfgang Kohlhaase geschriebenen Komödie "I Phone You". Die eine Person sucht die Liebe, die andere nimmt Abstand davon.

Die junge, attraktive Ling (Jiang Yiyan) erwacht in einem Nobel-Hotel in der chinesischen 32-Millionen-Metropole Chongqing. Ihr nächtlicher Sexualpartner, ein chinesischer Geschäftsmann namens Yu Guanhao (Wu Da Wei), hat bereits die Heimreise nach "Berlin, du bist so wunderbar" angetreten. Einzige Hinterlassenschaft ist ein mobiles Telefon. Yu Guanhao ruft Ling mehrmals an und schickt ihr Video-Botschaften, in denen er seine Liebe bekundet. Irgendwann geht Ling zu ihrem Boss, schnappt sich die Ersparnisse als Blumenkind und steigt in den nächsten Flieger nach Berlin. Dort wartet jedoch nicht ihre große Liebe auf sie, sondern Yu Guanhaos Chauffeur und Bodyguard Marco (Florian Lukas). Der erklärt die Abwesenheit seines Chefs mit wichtigen Geschäften mit Kondomen, Unterseeschiffen und anderen Dingen. Nachdem Ling noch einige weitere Male vertröstet wurde, nimmt sie in einem geeigneten Moment Reißaus von ihrem Aufpasser und begibt sich auf eine wahre Odyssee durch Berlin, auf der Suche nach der richtigen Adresse und dem richtigen Mann.

Dass Ling für Yu Guanhao wohl nicht viel mehr gewesen ist als, nun ja, ein netter Fick, dämmert dem Zuschauer bereits bei dessen Antwort auf die Frage, wo genau in Berlin er wohnt: Berliner Straße. "Deutschland" wäre keine wesentlich ungenauere Angabe gewesen. Ling jedoch hat sich bis über beide Ohren in Yu Guanhao verliebt und reist zu ihm, in eine für sie vollkommen andere Welt. War sie in Chongqing noch ein fröhliches, freches Mädchen, das mit ihren Freundinnen shoppen ging, Party machte und die Aufmerksamkeit von gleichaltrigen, gutaussehenden Jungs auf sich zog, ist sie im zehnmal so kleinen Berlin nun hoffnungslos verloren. Mit leichten Englischkenntnissen ausgestattet, gelingt ihr gerade so die Basiskommunikation und "Interessenten" sind nun alte, fette, Bier trinkende Männer.

Überhaupt kommen die Deutschen im Allgemeinen und die Berliner im Speziellen nicht besonders gut weg. Aufpasser Marco grapscht Ling permanent an, eine andere Person beschimpft sie als "Kanake" und so ziemlich niemand scheint annähernd angemessen mit einer Person, die verloren scheint und die deutsche Sprache nicht beherrscht, umgehen zu können. Als Ling aufgrund einiger komischer Umstände später noch einen süßen Hund am Hals hat, werden Mitarbeiter vom Ordnungsamt auf sie aufmerksam. Eine wenig einfühlsame Frau versucht Ling klarzumachen, dass die Hundemarke fehlt und diese als Nachweis für das Bezahlen der Hundesteuer dient. Als später auch noch die Polizei hinzukommt, meint die Frau auf die Frage, wer sich des Hundes annehme: "Wir haben Feierabend."

Das Skript von Wolfgang Kohlhaase balanciert auf einem schmalen Grat. Der 80-Jährige Drehbuchautor solcher Filme wie "Sommer vorm Balkon" und "Whisky mit Wodka", der im vergangenen Jahr mit dem Goldenen Ehrenbären der Berlinale und im April mit einem Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, segelt häufig haarscharf an bekannten Klischees vorbei. Manchmal übertreibt es Kohlhaase jedoch auch einfach mit den kuriosen Verwicklungen. Ob es unbedingt nötig war, Ling von ein paar Vietnamesen entführen zu lassen, scheint zweifelhaft.
Erfreulich ist allerdings, dass aus "I Phone You" kein schmalziger Liebesfilm geworden ist, sondern vielmehr eine kurzweilige, charmante Culture Clash-Komödie. Chinesen, Deutsche, Vietnamesen, Polen und Türken als Bevölkerungsgruppen kommen hier ebenso zum Einsatz wie Taxi-Fahrer, Ordnungshüter, Kriminelle und Huren. Da die chinesische Regisseurin Dan Tang mit ihrem modernen, hippen Stil auch nicht den Eindruck vermittelt, man solle das alles zu ernst nehmen, fällt dieser wilde, fast übertriebene Personen-Mix auch nicht negativ ins Gewicht. Die musikalische Untermalung des malischen Hip Hop-Trios Smod unterstreicht den Feel Good-Charakter des Films.

"I Phone You" mag sicher einer der weniger ambitionierten Filme von Wolfgang Kohlhaase sein. Die Story bewegt sich sehr geradlinig von Punkt A zu Punkt B und wieder zu Punkt A zurück. Wer mit den richtigen Erwartungen ins Kino geht, sollte 90 Minuten lang seinen Spaß haben, wozu auch die gut aufgelegten Darsteller um Jiang Yiyan und Florian Lukas ihren Teil beitragen. Merkwürdig heraus sticht allerdings eine Szene am Ende des Films, in der man sich für kurze Zeit in einem sehr moderaten asiatischen Revenge-Movie wähnt. Der einzige Ausreißer aus der Schublade "leichte Unterhaltung". Die zudem Lust auf Urlaub in einem anderen Land macht.

Bilder: Copyright

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