Hin und Weg

Jahr
2014
Laufzeit
95 min
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Matthias Kastl / 22. Oktober 2014

Sich dem Thema Sterbehilfe anzunehmen ist ein mutiger Schritt für jeden Filmemacher – schließlich verspricht eine derartig unangenehme Thematik, die uns an die eigene Sterblichkeit erinnert, nur selten gefüllte Kinosäle. So ist es dann auch durchaus verständlich, dass man oft versucht ist, diese Tragik mit ein wenig Humor zu unterfüttern, damit sie für das Publikum etwas erträglicher wird. Dieser Humor kann wohldosiert und geschickt eingesetzt werden, wie zum Beispiel beim wundervollen “Das Meer in mir“ mit Javier Bardem. Doch ohne das nötige Fingerspitzengefühl kann diese geplante Auflockerung auch schnell nach hinten losgehen. Mit einem solchen Fall haben wir es leider bei dem klangvoll besetzten “Hin und Weg“ zu tun, denn auch ein gut spielende Darstellerriege kann hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass mangels Vielschichtigkeit die Gratwanderung aus Tragik und Komödie nur selten funktioniert. Stattdessen versinkt der Film zu oft in Klischees und konstruiert sich am Reißbrett einen nie wirklich ehrlich wirkenden Mix aus oberflächlichem Drama und unpassend wirkendem Humor.
 

FahrradtourIm Gegensatz zu manch anderem Film, der sich dem Thema Sterbehilfe annimmt (Grüße an Herrn Eastwood), dauert es bei “Hin und Weg“ nicht sehr lange, bis die Katze aus dem Sack ist. Gleich am ersten Abend ihrer gemeinsamen Radtour gesteht Hannes (Florian David Fitz, “Vincent will Meer“) seinen besten Freunden, warum er sie dieses Jahr unbedingt bei seiner Reise nach Belgien dabeihaben wollte. Hannes leidet an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS und möchte in Belgien Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Die Freunde sind geschockt, entscheiden sich aber schließlich, Hannes und dessen Freundin Kiki (Julia Koschitz) zu begleiten. So machen sich der Playboy Michael (Jürgen Vogel, “Gnade“), der eher introvertierte Finn (Volker Bruch) und das Pärchen Dominik (Johannes Allmayer) und Mareike (Victoria Mayer), deren mangelndes Sexualleben vor allem für Dominik ein großes Problem darstellt, auf zu einem sehr abenteuerlichen letzten Geleit.

 

Natürlich ist auch bei diesem Road-Movie vor allem der Weg das Ziel. Die zahlreichen kleineren Episoden am Wegesrand sind dazu da, dass manch einer der Truppe alte Ängste ablegen oder neue Erkenntnisse über sich gewinnen kann. Vor allem steht da aber der Gedanke von Freundschaft bis in den Tod im Raum – eine sehr romantische Vorstellung, die bei einem Film genauso viel Charme wie Gefahrenpotential birgt. Denn natürlich ist es ein leichtes, hier in Klischees und übertriebene Melodramatik abzudriften. Das genau dies hier passieren wird, davon bekommt man schon relativ bald einen ersten Vorgeschmack.

Hannes und KikiDas zu Beginn niemand der Freunde den Gesundheitszustand des bereits sichtlich gezeichneten Hannes anspricht, hat weniger etwas mit Realismus als mit der für das Drehbuch benötigten Dramatik zu tun. Ähnliches lässt sich über die Szene sagen, in der Hannes glaubt die Tour nun scheinbar ohne seine Freunde durchführen zu müssen, da diese auf das neue Ziel der Reise mit Unverständnis reagiert hatten. Wie völlig “überraschend“ dann doch Michael, Dominik und Mareike lachend mit gepackten Rädern um die Ecke kommen, ist nicht nur vorhersehbar sondern zielt vor allem auch einfach zu deutlich auf den größtmöglichen emotionalen Effekt beim Zuschauer. In kleinen Dosen mag das wirksam sein, aber hier wird ein paar Sekunden später dann schon wieder so manipulativ direkt auf Drama umgeschaltet, dass einem die Art und Weise, wie hier Emotionen geschürt werden, schon das erste Mal negativ ins Auge fällt. So wünscht gleich darauf ein Kind, nichts wissend von Hannes Krankheit, ihm eine schöne Reise und baldige Rückkehr – während der Rest der Freunde aufgrund dieser Worte den Tränen nahe ist.

Ja, da möchte man anscheinend lieber aus einem großen Melodramatiktopf schöpfen, als eine Prise Understatement einzubauen. Viel schwerer wiegt aber, dass der Film im weiteren Verlauf seine ruhigeren Momente in vorhersehbarer Regelmäßigkeit durch relativ einfachen und lautstarken Humor unterbrechen lässt. Da darf Jürgen Vogel als Michael im Frauenkostüm durch die Bar ziehen, da wird in den Puff gegangen und da werden Drogen geklaut. Für sich genommen sind manche dieser Szenen ja gar nicht so unlustig, da man vor allem Jürgen Vogel hierbei die Spielfreude richtig anmerkt. Aber im Kontext mit dem Rest des Films funktionieren sie leider so gar nicht. Das liegt nicht nur an dem so offensichtlich zu erkennenden Kalkül der Macher, ein stetiges Wechselspiel aus leicht verdaulichem Humor und anschließender Rückkehr zur tiefen Melancholie aufzubauen, welches einfach nur konstruiert und hoch manipulativ ist. Es liegt vor allem auch daran, dass es die Figuren im Wesentlichen auf einige wenige Klischees reduziert. Unsere Protagonisten wirken eher wie Gaglieferanten als wirkliche Personen, und werden in Szenarien mehr zufällig hineingeworfen, anstatt dass diese sich natürlich ergeben oder zumindest natürlich erscheinen. Dies erzeugt eine Oberflächlichkeit, die den Film bei den ernsteren Szenen dann jede Menge Identifikationspotential und Ehrlichkeit raubt.

Jürgen Vogel zeigt seine weibliche SeiteNirgendwo wird das so deutlich wie bei den geheimen Aufgaben, welche die Freunde zu Beginn für jeweils eine andere Person der Gemeinschaft stellen und die während der Reise eingelöst werden. Was da an Ideen herauskommt ist eher auf dem Niveau von Teenagern anzusiedeln als von Menschen Mitte 30 - aber irgendwie muss ja Humor in die Geschichte eingebaut werden. Ganz tragisch dabei ist, dass bei all den “humorvollen“ Ausflügen die eigentliche Hauptfigur untergeht. Denn von Hannes erfahren wir insgesamt nicht wirklich viel – abgesehen von ein paar nachdenklichen Blicken zu übertrieben melancholischer Musik. Spätestens wenn gegen Ende dann auch seine geheime Aufgabe ans Tageslicht kommt, wird klar, dass auch der gut spielende Florian David Fitz gegen die vom Drehbuch auferlegte Melodramatik keine Chance hat. Da auch die Inszenierung von Regisseur Christian Zübert (“Lammbock“) sich nicht zurückhält, und vor allem der Soundtrack meist eher eine Schippe Emotion zuviel als zu wenig drauflegt, wirkt auch das große Finale deutlich zu plakativ um einen wirklich zu berühren (wie oft haben wir nun schon Todkranke auf das offene Meer starren sehen). Genau diese Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit fehlen dem Film in so gut wie jeder Sekunde und wären gerade bei dieser Thematik so unglaublich wichtig gewesen. Da helfen auch eventuelle gute Absichten und der ein oder andere gelungene Gag nicht – das Thema Sterbehilfe derart manipulativ umzusetzen ist unverzeihbar.

 

So tut es einem leid für die guten Darsteller, doch so leicht man sich auch von manch gut gespielter Szene blenden lassen kann, letztendlich ist “Hin und Weg“ ein viel zu oberflächlicher Film geworden, als dass man ihn genießen könnte. Es ist stattdessen seichte Kinounterhaltung, die seine Figuren zugunsten von Tränendrüsen verrät und dafür auch noch ein ernstes Thema missbraucht. So bleibt mehr Ärgernis als Unterhaltung übrig und nur die Empfehlung, in diesem Fall einen großen Bogen um der Kinokasse zu machen.  

Bilder: Copyright

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