Henri 4

Originaltitel
Henri 4
Jahr
2009
Laufzeit
155 min
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 27. Mai 2010

 

Trotz der eigenartigen Schreibweise mit Ziffer im Titel haben wir es hier nicht mit dem vierten Teil einer Reihe zu tun, deren erste drei Episoden man offensichtlich verpasst hat. Nein, diese Zahl wird sonst üblicherweise römisch dargestellt wenn es um die Bezeichnung päpstlicher oder königlicher Führungsfiguren geht und bezieht sich in diesem Fall auf Heinrich von Navarra, der im Frankreich des ausgehenden 16. Jahrhunderts regierte und in den Geschichtsbüchern als einer der ersten Humanisten für gewöhnlich ziemlich gut weg kommt. In der kostspieligen deutsch-französischen Koproduktion "Henri 4" allerdings wird er nun geradezu zum anbetungswürdigen Gutmenschen ohne Fehl und Tadel.

Denn schon von frühester Kindheit an scheint alles vorbestimmt für den Sohn eines Herzogs im eher kleinen und unbedeutenden Königreich Navarra. Bereits in jungen Jahren wird er als Anführer in die Schlachtfelder geschickt, auf denen sich die Minderheit der Hugenotten (die französische Variante der Protestanten) und die von Paris gesteuerten Katholiken in einem andauernden Glaubenskrieg gegenüberstehen. Am Hofe der Hauptstadt erkennt man die wachsende Bedrohung und beschließt mit einem taktischen Manöver für Ruhe zu sorgen. Der junge Henri soll die Tochter von Katharina de Medici ehelichen, die im Hintergrund die Fäden zieht und deren primäres Interesse es ist, den Thron für ihre drei Söhne zu sichern, auch wenn diese sich nicht gerade als charakter- und führungsstark erweisen. Henri willigt ein, doch die Aktion wird zum Desaster, als in der berühmten "Bartholomäusnacht" tausende Hugenotten von einer aufgebrachten Meute in einem furchtbaren Blutbad getötet werden.

Henri aber wird Jahre später doch noch König werden, mehrere der Medici-Brüder überleben, seine eigene Ehefrau verstoßen und die zweite Gattin bei einem Giftanschlag verlieren, bevor er erneut eine Zweckheirat eingeht, die ihn (zumindest nach dieser Version) schließlich das Leben kosten wird. All diese über mehrere Jahrzehnte verteilten Geschehnisse bekommen wir hier zu sehen und das sind deutlich zu viele, selbst für zweieinhalb Stunden Film. Denn wo eine große französische Produktion in den 90ern allein der Bartholomäusnacht selbst diese Laufzeit widmete, verkommt das Ereignis hier zu einer fünfzehnminütigen Episode, die entsprechend schnell abgehakt wird und kaum Wirkung hinterlässt.
Denn atemlos geht es weiter und für zunächst ausführlich eingeführte Figuren bleibt mehrfach keine Zeit mehr, sie auch wieder zu verabschieden, Mutter und Tochter Medici etwa verschwinden irgendwann einfach aus der Geschichte. Das wirkt genauso befremdlich wie so manch andere Szene, in der man sich - vor allem zu Beginn - aufgrund sehr künstlich gesprochener und wie aufgesagt wirkender Texte fast in einer mäßig gelungenen Theateraufführung wähnt. Dies bessert sich zwar mit fortschreitender und dramatischer werdender Handlung, doch trägt eine Reihe platt und klischeehaft angelegter Charaktere weiterhin dazu bei, dass der Eindruck eines genauso bunten wie inhaltlich flachen Bilderbogens nie so ganz verschwindet, gelegentliche unfreiwillige Komik inklusive.
So darf Hannelore Hoger zwar mit sichtlichem Vergnügen eine abgrundtief böse Katharina von Medici geben, dem historischen Vorbild wird dieses einseitige Bild aber kaum gerecht. Nicht besser ihre Söhne, der eine interpretiert von Ulrich Noethen als erbärmlicher Jammerlappen, der andere von Devid Striesow als homosexueller Zauderer. Und dann wäre da noch der gute Henri selbst, durchaus sympathisch dargestellt von Julien Boisselier, aber so muss das selbstredend auch sein beim Vorkämpfer für Glaubensfreiheit und Toleranz.
Und genau dieser Aspekt war es schließlich auch, der das deutsche Produzententeam um Regina Ziegler ("Sturmzeit", "Im Schatten der Macht") veranlasste, sich eines im Prinzip doch zutiefst französischen Stoffes anzunehmen: Menschlichkeit und Toleranz gegen Fanatismus, Humanismus in einer inhumanen Zeit - das hat selbstredend einen Bezug zu unserer aktuellen Gegenwart und um das aber auch dem Letzten deutlich zu machen, kommt daher dieser Heinrich von Navarra daher wie der einzig Sehende unter lauter Blinden, wie die personifizierte Versöhnung vierhundert Jahre vor Nelson Mandela. Dabei bleiben Beweggründe und Antrieb des Feldherrn und Monarchen aber eher unscharf, ist er doch meist nur ein von anderen Benutzter und Getriebener, gefangen Gehaltener oder Flüchtender, denn die lange Zeit und sein Wirken als späterer König spielen hier erstaunlicherweise nur eine Nebenrolle.

Inszeniert ist das hehre Anliegen mit einigem Aufwand in Sachen Ausstattung und Schauwerte, aber dass das Budget trotzdem nicht unbegrenzt war zeigt sich dann z.B: in der Umsetzung der bereits erwähnten Bartholomäusnacht, bei der nicht etwa das große Blutbad selbst zu sehen ist, sondern bei der wir uns gemeinsam mit den Handlungsträgern in einem Zimmer verbarrikadieren und einfach abwarten bis das Geschrei draußen vorbei ist, um dann lediglich einen Blick auf die Leichenberge vor der Tür und im Flur zu werfen. Nicht gespart wird dafür an diversen splatterartigen Szenen mit von den Schultern geschlagenen Köpfen oder ähnlichen Brutalitäten.
Darin (und in seiner ganzen Grundausrichtung) ähnelt dieses Historienepos dann sehr der "Päpstin" und bewegt sich auch insgesamt auf ähnlichem Niveau. Allerdings werden sich für diese Geschichtsstunde deutlich weniger Menschen interessieren als für das viel plakativere Thema des weiblichen Pontifex vor wenigen Monaten, womit das Timing dann leider nicht allzu günstig ist. Was "Henri 4" zu bieten hat, ist ein überwiegend kurzweiliger und nicht per se uninteressanter Schnellkurs, für alle diejenigen, die sich mit diesem Thema noch nicht allzu intensiv beschäftigt haben und die hoffentlich die etwas einseitige Charakterisierung der historischen Figuren nicht gleich als verlässliche Wahrheit betrachten.

Bilder: Copyright

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