Frau2 sucht HappyEnd

Jahr
2000
Laufzeit
96 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 7. Januar 2011

Es gibt sie noch. Wirklich ergreifende Liebesgeschichten im deutschen Film. Ernsthaft, tiefgründig, echt, und vor allem ehrlich. Jahrelang haben ewig gleiche Beziehungskomödchen und möchtegern-emanzipierte Machwerke á la Hera Lind oder Katja von Garnier zwischen Klischee und Selbstverliebtheit den Gefühlskanal hierzulande verstopft, bis bald gar nichts mehr durchkam. Doch was Tom Tykwer mit „Der Krieger und die Kaiserin“ im letzten Sommer wieder frei gespült hat, kann jetzt wieder in voller Breite genutzt werden. Und wie.

Edward Bergers „Frau2 sucht HappyEnd“ kann man eigentlich nur eins wirklich zum Vorwurf machen, und das ist sein bescheuerter Titel. Dahinter verbirgt sich der neueste Beitrag zum Thema „Ich finde meine Liebe übers Internet“, hat aber weit mehr Klasse als die unerträglichen RTL-Filme, die bei solch einem Grundkonzept zu befürchten stehen. Die sich Findenden sind in diesem Falle der Radiomoderator Gregor (Ben Becker), der seit zwei Jahren seiner Ex (Sabrina Setlur) hinterher trauert und in seiner nächtlichen Sendung ganz bös depressive Musik spielt, und die unglücklich in den Freund ihrer Mitbewohnerin verliebte Mai (Isabella Parkinson), für die ein ganz bestimmter Song einen besonderen Wert gewinnt. Weshalb sie ihn sich immer wieder im Chat des Senders wünscht. Nach einem anfänglichen Mißverständnis beginnen die beiden im Chat als „Frau2“ und „HappyEnd“ (drum der Titel) eine langsam aufkeimende Freundschaft, klagen sich ihr Leid und geben sich gegenseitig Halt.

Was sich zunächst anhört wie eine uninspirierte Variation von „E-Mail für dich“, während der das Publikum nur darauf wartet, bis endlich jemand das erste Treffen vorschlägt, entwickelt sich sehr schnell zu etwas weitaus tieferem, ein Film der nicht nur was zu erzählen, sondern auch was zu sagen hat. Getragen wird diese streckenweise wirklich außergewöhnlich intensive Geschichte über verlorene Liebe und Einsamkeit in der Großstadt vor allem von den beiden schlichtweg grandiosen Hauptdarstellern. Die relative Neuentdeckung Isabella Parkinson spielt Mai in einem kongenialen Schwanken zwischen Zerbrechlichkeit und „I will survive“-Power, unterstützt durch einen Satz Augen so tief wie der Ozean. Auf der anderen Seite des Modems sitzt mit Ben Becker zwar schon fast ein alter Hase, der hier aber gerade deshalb so saugut aufspielen kann, weil er sich im Prinzip selbst verkörpert: Als ewig gestriger Nostalgiker, der Kette rauchend im Dunkeln sitzt und Alltagsweisheiten von poetischer Wahrhaftigkeit von sich gibt, erinnert er beizeiten an Rio Reiser in seinen besten Tagen, wenn er nicht gerade als Becker pur rüber kommt.

Wer allerdings wegen dem vermarktungstechnisch sehr nützlichen Leinwanddebüt von Sabrina Setlur ins Kino geht, der sei vor einer Enttäuschung gewarnt: Zum einen verkörpert sie eine äußerst erfolgreiche Sängerin (also im Prinzip sich selbst), zum anderen beschränkt sich ihre Präsenz auf eine Szene, in der sie kaum mehr als fünf Sätze sagt. Ansonsten fungiert sie als eine Ikone, deren gigantische Werbebilder an Wolkenkratzern genauso überlebensgroß-unerreichbar sind, wie sie selbst in den verklärten Augen Gregors.
Regisseur und Autor Edward Berger gelingt das seltene Kunststück, eine völlig unprätentiöse Geschichte zu erzählen, die in nicht selten wunderschön poetischen Bildern doch immer noch so nahe an der Wirklichkeit ist, daß sie ganz genau weiß, daß es nach dem Happy End im wahren Leben weiter geht. Konsequenterweise kriegt der Zuschauer hier dann auch nicht eine sonnenklare Beziehungskiste aufgetischt, die sich so einfach auflöst, wie es die zwar schöne, aber doch wenig versprechende Werbezeile zum Film („Zwei, die füreinander bestimmt sind, finden sich trotzdem.“) vermuten läßt. Die Beziehung zwischen Gregor und Mai ist in ihrer Entstehung und Funktion viel zu komplex, um einfach so in fröhliches Heiraten-und-Kinder-kriegen zu gipfeln. Die beiden sind weniger auf der Suche nach einer neuen Liebe als auf der Suche nach ein wenig Rückhalt in einer Welt, von der sie sich aufs Grausamste verarscht fühlen. Wer hier eigentlich was wirklich sucht und was wirklich bekommt bleibt bis zum Ende auf herrliche Weise ambivalent, so daß es dem dankbaren Zuschauer überlassen bleibt, sich nach dem Abspann seine eigene Geschichte weiterzuspinnen.

Die Darsteller machen eigentlich alles richtig, und auch Regisseur Berger haut nur ganz geringfügig daneben. Das atmosphärisch ungemein wirksame Radiostudio inmitten einer riesigen Halle wirkt zwar toll, kommt in einem so auf Realismus bedachten Film aber ein wenig unpassend daher. Und bei all dem nachvollziehbaren Leiden Gregors wird es irgendwann dann doch ein bißchen viel, wenn man kurz davor ist, ein lautes „Junge, hör auf zu heulen und guck endlich mal nach vorne“ gen Leinwand brüllen will. Ansonsten gilt die Devise: Besser gut geklaut als schlecht selber gemacht. Ein geschickt aus „Die fabelhaften Baker Boys“ entliehener Subplot und eine äußerst gelungene Reminiszenz an die Plastiktüte des Glücks aus „American Beauty“ zeigen deutlich, daß Berger genau weiß, was gut ist. Das Schöne daran: Er weiß es auch umzusetzen.

„Frau2 sucht HappyEnd“ ist ein Film für frisch Verliebte, weil er in seiner frustrierten Schale einen tief romantischen Kern trägt. Aber auch gerade die im Film portraitierten unglücklich Leidenden werden sich hier wohl und geborgen fühlen. Und die Liebhaber wirklich großartiger Schauspiel- und Filmkunst sowieso. Denn das ist einer dieser Filme, die zeigen, daß das deutsche Kino wesentlich besser sein könnte, als es zur Zeit ist. Wenn man es nur die richtigen Leute machen lassen würde.


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