Fateless - Roman eines Schicksalslosen

Originaltitel
Fateless
Jahr
2004
Laufzeit
134 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
2
2/10
von Volker Robrahn / 8. Juni 2010

 

György Köves ist ein 14-jähriger jüdischer Junge und erlebt 1944 in Budapest einen bedeutenden Einschnitt in seinem Leben. Nach dem Abschied von seinem Vater, der zum Arbeitsdienst muss, wird auch er zum Arbeiten in einer Ziegelei verpflichtet. Ungeahnt dessen, was "Jude sein" in diesen Zeiten bedeutet, wird er schon bald darauf in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Innerhalb von nur drei Tagen erlebt er Auschwitz, Buchenwald und Zeitz und wird anschließend aufgrund eitriger Wunden und lediglich durch einen glücklichen und lebensrettenden Zufall wieder nach Buchenwald in die Krankenstation gebracht. Dort verlebt György die Monate bis zur Befreiung in einer Mischung aus Lethargie und Gleichmut.

Unter dem englischsprachigen (und vermarktungstechnisch wohl wirkungsvolleren) Titel "Fateless" kommt diese Verfilmung des Erfolgsromans "Roman eines Schicksallosen" von Imre Kertesz in die Kinos. Kertesz erhielt für dieses Werk den Literaturnobelpreis. Der heute 75-jährige schrieb rund 30 Jahre an "seiner" Geschichte vom Leben und Überleben in den KZs. Starke Aufmerksamkeit wurde ihm jedoch erst 1995 zuteil, nachdem ein deutscher Verlag seinen Roman veröffentlichte. Teile der Öffentlichkeit waren schockiert und empört über Imre Kertesz, der von "Langeweile in Auschwitz, aber auch vom "Glück der Konzentrationslager" schrieb. Der "Roman eines Schicksallosen" wurde zunächst als "Tabubruch" abgespeist, doch schon bald erkannten Kritiker die Einzigartigkeit und Bedeutung dieses Werkes: Imre Kertesz war die "Entmystifizierung von Auschwitz" gelungen.

Die nun vorliegende Verfilmung jedoch wird der Bedeutung ihrer Vorlage leider nicht ansatzweise gerecht. Diese erlangte ihre Wirkung nämlich vornehmlich durch den Ich-Erzähler, der die Geschehnisse in einer Art lakonischem Plauderton schilderte. Dementsprechend gibt es nun zwar auch im Film einen Off-Erzähler, dieser wird jedoch nur äußerst sparsam eingesetzt. Stattdessen versucht man, dem Medium entsprechend, nun in erster Linie die Bilder wirken zu lassen - und dieses Vorhaben scheitert kläglich.
Zahlreiche viel zu lang gezogene Szenen sollen den tristen und grausamen Alltag der Gefangenen verdeutlichen. Aber das hat dann mit der oben erwähnten "Entmystifizierung" rein gar nichts mehr zu tun und wurde in vielen anderen Beiträgen zum Thema auch schon wesentlich beeindruckender und auch handwerklich besser inszeniert. Viele Zusammenhänge dieses oft einfach nichts sagenden Bilderreigens bleiben dabei völlig unklar. So ist zum Beispiel die Odyssee von Györgi durch die verschiedenen Lager ohne Kenntnis des Buches kaum nachzuvollziehen. Und auf die darin enthaltenen provokanten Szenen, welche die Juden nicht immer vorteilhaft und sympathisch zeichnen, hat man gleich ganz verzichtet. Zugekleistert wird das Ganze dafür mit dem hier völlig unangebrachten theatralischen Soundtrack von Altmeister Ennio Morricone, der eine pathetische Hymne nach der anderen abliefert.

Warum Imre Kertesz Film und auch Musik so vehement gegen die - vor allem bei den Berliner Filmfestspielen - vorgetragene Kritik verteidigt, bleibt rätselhaft. Es ist zu hoffen, dass es nicht rein kommerzielle Gründe sind, sondern vielleicht eher die gekränkte Ehre des Drehbuchautors, dem seine eigene Vorlage entglitten ist. Denn während "Fateless" als eigenständiges Werk nur einen langatmigen und nicht funktionierenden Film darstellt, ist er als wesensfremde Adaption des Buches sogar ein richtiges Ärgernis.

Bilder: Copyright

8
8/10

Ich habe den Film gestern gesehen und war sehr beeindruckt, zumindest von den Szenen, die den KZ - Alltag wiedergeben. Die Ästhetik, die der Film in seiner Bildsprache zeigt, auch der Soundtrack, haben mich zwar anfangs irritiert, aber trotzdem sehr bewegt. Gerade diese Filmzutaten, die eigentlich nicht angemessen für einen Film mit dieser Thematik sind, lassen ihn meiner Meinung nach doch funktionieren. Die Kritik von Herrn Robrahn spiegelt leider nur das internationale, vernichtende Presseecho wieder.
Ich kenne leider die Literaturvorlage nicht, bin somit recht unvoreingenommen an die Sache herangegangen.

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10
10/10

ich habe das buch gelesen,den film gesehen und mich selber mit einem bekannten von kertez unterhalten. ich fand sowohl das buch als auch den film sehr beeindruckend. ich finde die kritik herrn robrahn´s unangemessen

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10
10/10

Für diese Perle gibt es von mir 10 Punkte.

Ich kenne das Buch nicht. Und das ist wohl auch gut so, denn ich dachte - schon wieder so ein KZ-Film - aber ich sah einen Wahnsinnsfilm von ungemein philosophischer Kraft und unvergesslichen Bildern und Momenten. Herausragende Schauspieler.

Eine der grossartigsten Szenen war der Strafappell, bei dem die Häftlinge gegen das Umkippen und damit um das Überleben gekämpft haben unterlegt mit einer Morricone-Hymne. Das ging bis zum Wahnsinn unter die Haut und wird unvergesslich bleiben.

Rätselhaft ist im übrigen weniger, warum Kertez diesen Film mag sondern eher warum die deutsche Kritik diesen unglaublichen Film mit Füßen tritt. Ist mir unverständlich. Vielleicht ist es das deutsche Unvermögen "natürliche" Emotionen zu diesem Thema zu entwickeln und zuzulassen und trotzdem moralische Fragen beantworten zu können. Dabei vergißt man, dass das Leben nie straight war und sein wird. Es gibt nicht bei allen Menschen ein emotionales entweder oder. Unglück und Glück, Freud und Leid treten oft genug genmeinsam auf und definieren gleichzeitig eine Situation. Wie die Hymne beim Quälappell.

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10
10/10

Für mich der mit Abstand traurigste Film, den ich je gesehen habe ...

Aber im Vergleich zur Hölle ist das, was diese Menschen mitgemacht haben, ein Aufenthalt in einem Sanatorium gewesen ...

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2
2/10

Zum Gedenken an den Holocaust wurde gestern nicht nur von Marcel Reich-Ranicki eine bemerkenswerte Rede gehalten sondern weil so ein Gedenktag immer auch medial ausgeschöpft werden muss, was nicht immer gelingt oder besser gesagt oft nur peinlich ist, sendete das Öffentlich Rechtliche Fernsehen zu sehr später Stunde den Film "Die Grauzone" von Tim Blake Nelson über die Verstrickungen in Schuld und Mittäterschaft der Häftling-Sonderkommandos in Auschwitz. Basierend auf einem Bühnenstück des Regisseurs entstand wohl die beeindruckenste und dichteste Annäherung oder Vergegenwärtigung des Themenkomplexes Todesmaschinerie der Nazis und des Genozids an den jüdischen Menschen Europas. Als Spielfilm sicherlich die beste "künstliche und künstlerische" Inszenierung der Leidensgeschichte aller KZ-Häftlinge in den zahlreichen Konzentrationslagern zwischen Elsass und Ostpolen. Wer diesen Film gesehen hat, weiss warum Fateless einfach nur eine schlechte in Hollywoodmanier verbrämte Geschichtsausbeutung ist, auch wenn die Vorlage von Kertesz ist und auch weil Kertesz offensichtlich von Filminszenierungen, Verkitschungen durch Kamera und Musik keine Ahnung hat. Kertesz Buch ist ein ganz anderer Fall und es ist tragisch, dass daraus dieser Film zusammengebraut wurde.
Und tatsächlich wurde auch dieser Film zu später Nachtstunde im Fernsehen gezeigt, man kann nur hoffen, dass alle, die diesen Koltai-Film schon einmal gesehen haben und ihn für hervorragend halten, sich "Die Grauzone" angeschaut haben, denn dann weiss man, was Drehbuch, Kamera, Schnitt, Musik und Regie zu leisten vermögen. Nur Lanzmanns "Shoa" ist eindringlicher und tiefgründiger, auch weil er ein Stück verfilmte Erinnerung in Form eines Dokumentarfilms ist.

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