Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga

Land
Jahr
2020
Laufzeit
123 min
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 28. Juni 2020

Völkerverbindendes Kultevent oder gruseligster Pop-Kitsch – am Eurovision Song Contest scheiden sich die Geister. Nach der Corona-bedingten Absage der Veranstaltung konnten Fans und Feuilleton dieses Jahr nicht leidenschaftlich über erinnerungswürdige Auftritte und das wohl verwirrendste Wahlsystem der Welt diskutieren. Ideales Timing also für das Will-Ferrell-Vehikel "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga", welches den ESC-Fans auf Netflix zumindest ein klein wenig Trost verspricht. Allerdings sind es am Ende die durchaus energetischen Musiknummern und eine charismatische Rachel McAdams nicht wirklich wert, sich als Zuschauer durch eine zähe Story und müde Gags zu schleppen.

Nach dem frühen Tod seiner Mutter hat der Isländer Lars (Will Ferrell, "Schräger als Fiktion", "Old School") nur ein Ziel. Er möchte, wie seine großen Idole ABBA, eines Tages den Eurovision Song Contest gewinnen. Zusammen mit seiner Kindheitsfreundin Sigrit (Rachel McAdams, "Red Eye", "Spotlight") ist dann auch schnell die Band Fire Saga gegründet. Doch zu mehr als dem Spott des eigenen Vaters (Pierce Brosnan, "Der Schneider von Panama", "Mamma mia!") und ein paar trostlosen Auftritten in der Stammkneipe seines isländischen Heimatortes reicht es für Lars nicht. Doch dann ergattern Lars und Sigrit völlig überraschend ein Ticket für den isländischen Vorentscheid des Eurovision Song Contests und es beginnt eine ganz ungewöhnliche Erfolgsgeschichte.

Gleichzeitig beginnt aber auch eine ganz gewöhnliche Filmgeschichte. Nämlich die von zwei Underdogs, die entgegen aller Wahrscheinlichkeiten und Widerstände ihren Weg gehen. Und die, zusammen mit dem Publikum, dabei auch noch eine wichtige Lektion fürs Leben lernen. Nein, das Story-Grundgerüst rund um den Aufstieg der sympathischen Looser-Band "Fire Saga" sprüht jetzt nicht unbedingt voller überraschender Kreativität. Macht in einer Komödie aber nichts, wenn das alles mit Hingabe umgesetzt wird, die Gags sitzen und man über charismatische Hauptfiguren verfügt. Aber genau da fangen bei "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga" die Probleme schon an.

Eine der größten Schwächen des Films ist nämlich ausgerechnet seine Hauptfigur. Es fällt einfach schwer sich zu 100 Prozent mit Lars und dessen Traum von einem ESC-Sieg zu identifizieren, da die Figur viel zu wenig Sympathie und Verständnis beim Zuschauer weckt. Die Ursachen dafür finden sich schon in der ersten Szene, in der die Motivation von Lars lieblos mit dem Story-Holzhammer eingeführt wird. Vor allem aber kommt Lars im Film oft etwas grummelig und verkrampft rüber, was den Film davon abhält emotional so richtig durchzustarten.

 

Da hätte sich Will Ferrell lieber eine Scheibe bei seiner Kollegin Rachel McAdams abschneiden sollen. Auch wenn ihre süß-naive Sigrit nicht einmal den Anschein einer komplexen Figur erweckt. Aber die Energie und Leidenschaft, welche McAdams in die Rolle steckt, machen es deutlich einfacher für Sigrit in diesem musikalischen Wettstreit die Daumen zu drücken. Doch die Hoffnung, dass McAdams dieses Schiff alleine auf Erfolgskurs halten kann, zerschlagen sich leider schnell. Zum einen, weil diese beiden Figuren zusammen einfach nicht so richtig funktionieren wollen und man dadurch schmerzlich eine überzeugende Leinwandchemie vermisst. Zum anderen, weil leider auch in Sachen Humor in dem Film öfter Ebbe als Flut herrscht.

Gerade in den Dialogen wirkt der beabsichtigte Wortwitz des Films meist mehr bemüht als beschwingt. Für eine Satire fehlt dem Drehbuch einfach die nötige Schärfe und Cleverness. Überhaupt ist der Film für einen Ferrell-Streifen überraschend handzahm, als ob der Komiker (der auch am Drehbuch beteiligt war) nicht zu stark über die Stränge schlagen möchte. Selbst die überdimensionalen Geschlechtsteile griechischer Statuen in der Villa des russischen Teilnehmers Alexander Lemtov (Dan Stevens, "Die Schöne und das Biest", "Hilde") werden am Ende lediglich zu einem genauso harmlosen wie einfallslosen Schlagabtausch verwurstet.

Der niedrige Gagfaktor ist angesichts des möglichen Potentials des kunterbunten ESC-Umfelds aber geradezu eine Sünde. Alleine aus dem wundervollen Multikulti-Szenario hätte man so einiges zaubern können, doch die Chance lässt der Film fast komplett liegen. Und wenn, dann werden die unterschiedlichen Länder auf einfachste Klischees reduziert. So tragen die Isländer bunte Klamotten, gehen gerne fischen und glauben an Elfen. Und haben natürlich einen starken Akzent, den Ferrell im Original aber nicht wirklich konsequent durchzieht.

 

Genauso schlampig und inkonsequent wie Ferrells Akzent wirkt dann irgendwie auch das Drehbuch. So richtig Mühe hat man sich hier weder bei der Geschichte, noch bei den Figuren und den Gags gegeben. Bis auf ein paar löbliche Ausnahmen, die man aber an ein paar Fingern abzählen kann. Wenn Ferrell als Lars amerikanische Touristen maßregelt kommt zumindest ein wenig Selbstironie auf und die Rolle eines Geistes wird am Ende für einen netten kleinen Seitenhieb auf Filmklischees genutzt. Und da wäre noch der exzentrische Russe Lemtov, die mit Abstand beste Nebenfigur des Films, anhand dessen in einer Szene dann sogar tatsächlich echte Satire mit einer politischen Botschaft gelingt. Nicht, dass wir das von einem solchen Film einfordern würden. Aber es fehlt hier einfach generell an wirklich herausstechenden Momenten, die einem eben mehr als nur ein müdes Lächeln auf die Lippen zaubern.

Stattdessen konzentriert sich die Energie der Filmmacher auf etwas ganz anderes: die Musikdarbietungen. Und genau diese sichern dem Film dann zumindest noch einen Platz im Mittelfeld. Hier hat man sich wirklich kreative Gedanken gemacht und bringt endlich Schwung in die sonst eher tote Bude. Geschickt greift man dabei die Auftritte und unterschiedlichen "Erfolgsrezepte" der typischen ESC-Teilnehmer auf und inszeniert mit einer erfrischenden Leichtigkeit und tollem Setdesign einige richtig schmissige Nummern. ESC-Fans dürfen sich vor allem über eine Singalong-Darbietung freuen, bei der gleich haufenweise Cameos von echten ESC-Teilnehmern eingebaut wurden. Selbst als ESC-Muffel kann man sich dem Charme dieser Sequenzen nur schwer entziehen.

 

Aber diese Momente sind eben nur ein kleiner Teil eines Films, der mit über zwei Stunden deutlich zu lang ausfällt. Ein Problem, dass bei Netflix inzwischen öfters spürbar ist. Da merkt man erst mal, welchen positiven Nebeneffekt der Druck von Kinoverleihern haben kann. Ungeahnte zeitliche Freiheiten können eben auch ein Nachteil sein und auch "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga" hätte von einer deutlich kürzeren Laufzeit und einer stärkeren Gewichtung zu Gunsten der Musiknummern profitiert. So dümpelt der Film die meiste Zeit eher unmotiviert auf sein großes Finale zu und kann eben nur sporadisch für wirkliche Glücksgefühle beim Zuschauer sorgen. Das alles mag für Hardcore-ESC-Fans angesichts der vielen Cameos immer noch irgendwie eine nette Angelegenheit sein, für das restliche Publikum ist diese amerikanische Ersatzveranstaltung aber nur mäßig unterhaltsam. USA, five points.

Bilder: Copyright

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