Oberflächlich betrachtet ist "Elbe" ein reines, wenn auch sehr reduziert inszeniertes Buddy-Movie. Kowsky (Henning Peeker) und Gero (Thomas Jahn) sind gute Freunde. Ganze 23 Jahre arbeiten sie schon zusammen. Ihr Job: Mit einem Frachtkahn fahren sie die Elbe rauf und runter und transportieren so ihre Ware. Auch wenn die Elbe nicht gerade der Nil ist, sind die beiden doch irgendwie in ihrer eigenen Welt, wenn sie auf dem Schiff arbeiten, und vergessen den Alltag um sich herum. Doch dieser holt sie schneller ein als ihnen lieb ist. Beide werden entlassen und sind von nun an arbeitslos. Losgerissen aus dem Arbeitsverhältnis zeigt sich schnell, wie unterschiedlich die beiden Männer eigentlich sind. Während sich Gero langsam mit der Situation abfindet und anfängt, sich eine neue Existenz aufzubauen, zwingt Kowsky beide Männer nochmal zugunsten eines lukrativen Jobs auf eine Schiffsreise nach Hamburg.
Die ersten Einstellungen geben unmissverständlich zu erkennen,
dass der Rhythmusgeber dieses langsam erdigen Films die Elbe selbst
ist. Sie wird mächtig in Szene gesetzt. Beide, Gero und auch
Kowsky, können sich mit ihr identifizieren. Sie haben ihren
Lebensrhythmus nach ihr gestellt und haben auch gelernt ihr zu vertrauen.
Beeindruckend wird "Elbe" deshalb immer wieder dann, wenn
Regisseur Mittelstaedt vom Kahn aus die Landschaft zeigt. In leichten
Schwenks wird die Größe und die ganze Pracht der Natur
spürbar. Eine Natur, die sich natürlich immer unbeeindruckt
vom Schicksal des Einzelnen zeigen wird.
So
wie sich die Landschaften auf der Reise von Dresden nach Hamburg
verändern, so langsam fließend verändern sich auch
die beiden Protagonisten. Kowsky setzt immer wieder alles auf eine
Karte. Schlägt sich mit kleinen oder auch größeren
Betrügereien durchs Leben. Und zu Hause? Dort ist seine Frau
mit den drei Kindern, die ihren Vater und Ehemann mit verächtlichen
Blicken abstrafen. Eine Beziehung zu ihm haben sie lange nicht mehr.
Als er dann noch arbeitslos wird, ist er für seine eigene Familie
der totale Versager. So hat Kowsky nichts zu verlieren und fängt
an, in viele Abgründe zu springen. Dass er dabei Gero immer
mitzieht, sieht dieser mit der Zeit immer weniger gelassen. Und
so müssen wohl beide begreifen, dass das einzige, was ihre
Freundschaft am Leben gehalten hat, der gemeinsame Job und die Liebe
zur Elbe war.
Es ist erstaunlich, wie souverän die beiden Hauptdarsteller
Henning Peker und Thomas Jahn die beiden Loser verkörpern,
und auch die oft zu Unrecht übergangene Steffi Kühnert
(sie war unter anderem in Andreas Dresens "Halbe Treppe"
zu sehen) gibt ihrer Figur die gewohnte
Zärtlichkeit. Doch im Mittelpunkt stehen die beiden heruntergekommenen
Gestalten, die ihre Freude am Leben nicht mehr zeigen können
oder auch wollen.
Nur selten blitzt noch ein Funke von Hoffnung auf. Bei Gero ist
es immer wieder dann der Fall, wenn er über seinen großen
Traum spricht. Er möchte nach Australien und deshalb bekommt
er immer ganz traurige Augen, wenn er das kleine Poster vom Ayers
Rock im Kahn betrachtet. Denn so richtig daran glauben möchte
er wohl auch nicht. Gero hat eine Tochter. Darüber redet er
aber nicht viel. Er hat sie nur einmal gesehen. Das war vor 17 Jahren.
Doch als er erfährt, dass auch ihr größter Wunsch
eine Reise nach Australien ist, bildet er sich ein, die Bindung
zu ihr doch nicht völlig verloren zu haben. Die ferne Reise
als Metapher für die Unerreichbarkeit eines Traums.
Mittelstaedt entwirft die beiden Männer als ewig scheiternde
Gestalten. Wo der eine die Familie als sozialen Rückhalt verliert,
versucht der andere seine gescheiterten Träume durch sein Kind
zu verwirklichen. Dabei ist der Film niemals wertend gegenüber
seinen Figuren. Das ist seine große Stärke. Und selbst
die sozialkritischen Untertöne, die deswegen auftauchen, da
die beiden Ostdeutschen im Westen ihr Glück suchen, können
überzeugen.
Trotzdem ist "Elbe" leider kein wirklich guter Film geworden. Er verschenkt seine viel versprechende Konstellation für ein auf Biegen und Brechen überdramatisiertes Finale. Doch bis es soweit kommt, lässt sich der Film sehr viel Zeit. Er setzt auf die Langsamkeit der Erzählung. Doch dadurch hat man es als Zuschauer nicht so leicht in die Geschichte einzusteigen. Die Beiläufigkeit, die sicherlich die Authentizität des Films unterstreichen soll, wirkt langatmig und aufgesetzt. So verläuft sich der Konflikt der Freunde ein wenig zwischen den verrußten und unscharfen Bildern der Umgebung, der über viel Potential verfügende Stoff kann sich nicht entwickeln und lässt einen etwas ratlos zurück.
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