Don't come knocking

Originaltitel
Don't come knocking
Jahr
2005
Laufzeit
122 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 19. Juni 2010
 

Wim Wenders hat sich zum 60. Geburtstag (siehe unser Geburtstags-Special) das schönste Geschenk selbst gemacht: Mit "Don't Come Knocking" beschert er sich und uns einen Film, der würdig ist, in einer Reihe mit seinen früheren Meisterwerken (wie "Paris, Texas" aus unserer Gold-Rubrik) zu stehen. Zwar gibt es hier kleine Abzüge für Vereinfachungen und Weglassen von Informationen, doch ist "Don't Come Knocking" immer noch sehr sehens- und empfehlenswert.
Auch unter Autorenfilmern scheinen Mode-Erscheinungen keine Seltenheit zu sein: So machten jetzt Jim Jarmusch mit "Broken Flowers" und Wenders mit "Don't Come Knocking" fast zeitgleich einen Film über einen alternden Helden (der eine Computer-Guru, der andere Western-Schauspieler), der sich plötzlich damit auseinandersetzen muss, dass er einen Sohn hat, von dem er nichts wusste, und sich nun auf einen Road Trip zur Mutter des Kindes macht.

Nach einem Leben voll Hauptrollen, Damen, Drogen und anderen Ablenkungen flieht der Western-Darsteller Howard Spence (Sam Shepard) einfach auf dem obligatorischen Pferd vom Drehort seines derzeitigen Films. Er taucht nach 30 Jahren ohne jegliches Lebenszeichen plötzlich bei seiner Mutter (Eva Marie Saint) auf, die ihn nicht nur ans Grab seines Vaters befördert, sondern ihn auch mit der Tatsache konfrontiert, dass er ein inzwischen erwachsenes Kind hat. Howard erfährt über seinen Erbträger nur, dass er aus Montana stammt. Also macht sich der alte Held auf der Suche nach dem eigenen Nachwuchs auf in das Kaff Butte in Montana, wo damals sein bekanntester Film "Just Like Jesse James" gedreht wurde. Doch Howard ahnt nicht, wie kompliziert sich eine Familienzusammenführung gestalten wird.

Das Auffallendste an "Don't Come Knocking" sind die meisterhaften, Edward-Hopper-Gemälden nachempfundenen Bilder in Cinemascope. Ob Landschaften oder Städte; die Bilder brennen sich in das Gedächtnis des Publikums. Gepaart mit Kreisfahrten der Kamera und Ansichten von oben auf die Stadt darf Kameramann Franz Lustig, der schon bei seinem ersten Spielfilm "Land of Plenty" für Wenders arbeitete, auch hier seine Kunstfertigkeit unter Beweis stellen (der Dreh von "Don't Come Knocking" verzögerte sich zweimal - ohne diese erzwungene Pause hätte Wenders "Land of Plenty" nie gemacht).
Die Musik von T Bone Burnett ("Oh Brother Where Art Thou"-Soundtrack) unterstützt den Film nicht nur dramaturgisch, sondern auch in der Figurenzeichnung, mit Textzeilen wie "He's a lonely man who's lost his only love. He's a lonely man who finds no one to blame". Der Filmtitel bezieht sich nicht nur auf das Schild mit der Aufschrift "Don't come knocking if the trailer's rocking" (Nicht anklopfen, wenn der Wohnwagen wackelt) in Howards Drehort-Zuhause, sondern gleichzeitig auch auf das Lied mit dem Text "Don't come knocking on my door", welches Howards Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen umschreibt. Komponist Burnett spielt übrigens in einem Gastauftritt den Mann mit Golfausrüstung, der singend die Straße lang geht.

Gedreht wurde, wie geplant, in 36 Tagen - was dafür, dass Wenders abends immer noch keine Ahnung hatte, wie er am nächsten Tag seine Einstellungen haben wollte, wie ein Wunder erscheint. Die Drehs fanden alle (!) an Originalschauplätzen statt - das hat im Zeitalter von Studios und Bluescreens echten Seltenheitswert, kommt der Optik des Films aber enorm zugute. Davon mag auch die zart-melancholische Grundstimmung von "Don't Come Knocking" herrühren, die sich unter anderem aus den typischen amerikanischen Kleinstädten und Landschaften ergibt. Seien es die "Augen" der Wüstenlandschaft, durch die man am Anfang sieht (Moab, Utah), das Casino in Elko (Nevada) oder Butte in Montana - alle diese Orte ergänzen den Film mit ihrem ganz eigenen Charakter. Besonders Butte spielt schon fast eine kleine Hauptrolle - diese Stadt, die früher die größte Stadt westlich des Mississippi war, sich heute aber nur durch stillgelegte Minen und hohe Arbeitslosigkeit auszeichnet.

Die Schauspieler tun nicht weniger für den Film. Nachdem Shepard sich damals beim ebenfalls von ihm geschriebenen "Paris, Texas" geweigert hatte (unbestechlich auch gegenüber Geld und gutem Zureden), die Hauptrolle zu spielen, deutete er hier gleich am Anfang an, dass er gern darum gebeten werden würde. Er macht seine Sache ausgezeichnet, denn einen alternden Helden zu spielen, der nicht einmal seine Wünsche oder Ängste artikulieren kann, war nicht leicht zu bewerkstelligen, ohne die Rolle ins Lächerliche zu ziehen.
Jessica Lange wiederum kann Howards alte Liebschaft Doreen das Maß an glaubwürdiger Stärke und gleichzeitiger Verletzlichkeit geben, die diese Figur verdient. Auch Eva Marie Saint (aus Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte" und bald Supermans Mutter in "Superman Returns"), die 1955 (da war Wenders erst zehn Jahre alt) schon einen Oscar als beste Nebendarstellerin für Elia Kazans "On the Waterfront" gewann, trifft hier mit 81 Jahren zielgerichtet ins Schwarze. Gabriel Mann ("Die Bourne Identität" und "-Verschwörung") überzeugt als bockiger, wie sein Vater Howard selbstsüchtiger und beziehungsunfähiger Earl, während Sarah Polley ("Go") als Sky engelsgleich als perfektes Mädchen alle zusammen führt.
Tim Roth als penibler Versicherungsfuzzi Sutter und Fairuza Balk als Earls durchgeknallte Freundin Amber sind in ihren respektiven Rollen zwar als Schauspieler gut, dafür wirken ihre Figuren aber leider etwas fehl am Platze. Wenders sagt, er hätte schon immer eine Komödie machen wollen und "Don't Come Knocking" sei ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Sutter und Amber sorgen zwar für willkommene Auflockerung, doch sind sie so skurril angelegt, dass man sich ein bisschen mehr charakterliche Tiefe gewünscht hätte. Immerhin erklärt sich Sutter am Ende gegenüber Howard, doch Amber bleibt schlichtweg dumm wie Toastbrot.

Wenders-Fans werden auffällige Ähnlichkeiten zu "Paris, Texas" zwar sofort erkennen, das sollte aber nicht den fälschlichen Eindruck vermitteln, dass es sich bei "Don't Come Knocking" um eine Fortsetzung oder das Gleiche in Grün handelt. Wenders' neuer Film hat etwas, was "Paris, Texas" am Ende nur ganz zart andeutete: Die Gewissheit, dass alles gut werden kann und die Welt ein schöner Ort ist, an dem vielleicht sogar ein alter feiger Schauspieler noch sein Glück findet.

 

 

 


4
4/10

Mir war der Film zu langatmig und daher auch stellenweise zu langweilig. Ruhige Szenen sind vollkommen in Ordnung, aber man muss sie nicht unnötig in die Länge ziehen (wie z.B. Howard auf der Couch). Und am Ende wusste ich immer noch nicht so richtig, was mir der Künstler damit sagen wollte.

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