Der stille Amerikaner

Originaltitel
The Quiet American
Land
Jahr
2001
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Februar 2011

Es ist ein klassisches Liebesdreieck, mit einem kleinen Twist. Thomas Fowler und Alden Pyle lieben dieselbe Frau, die zarte Vietnamesin Phuong, die im Saigon der 50er Jahre als käufliche Tänzerin in einem Etablissement für internationale Gäste arbeitet. Fowler ist ein journalistischer Veteran, ein alteingesessener und zynischer Reporter für die London Times, der es sich auf seinem abgelegenen Korrespondenten-Posten in Südostasien gemütlich gemacht hat, weit mehr an Phuong als an irgendwelchen verkaufbaren Geschichten interessiert ist, und trocken seine journalistischen Grundsätze herunter betet: "Ich bin nur ein Reporter. Ich mische mich nicht ein, ich werde nicht aktiv, und ich biete keine Meinung." Alden Pyle ist Amerikaner. Davon gibt es in Vietnam in den 50ern noch nicht sehr viele, denn das Land hat sich gerade erst von der französischen Besatzung befreit und die landesinternen Konflikte, die schließlich zum Vietnamkrieg führen sollten, sind noch in ihren Ursprüngen begriffen. Pyle, etwas tollpatschig und anscheinend noch mächtig grün hinter den Ohren, legt Idealismus und jugendliche Energie an den Tag, wie Fowler sie für sich schon lange verloren hat, und er kann nicht anders, als diesen Burschen mögen. Auch, als dieser sich selbst in Phuong verliebt. Dass Phuong diese Gefühle für keinen von beiden empfindet, sondern die Männer dies nur glauben lässt, weil ihr Beruf das verlangt, können beide ignorieren. Diese Liebe ist gekauft, doch sowohl Fowler als auch Pyle glauben lieber an ihre Wahrhaftigkeit.
Um dieses emotionale Chaos herum entwickelt sich unmerklich ein politisches: Erst nur auf der Suche nach einer schnellen Geschichte, die ihn vor einer Rückkehr nach London bewahrt, stößt Fowler bald auf merkwürdige Vorgänge in Zusammenhang mit einem aufbegehrenden Rebellenführer. Bis diese aufgedeckt sind, entpuppt sich Pyle als gar nicht so still wie erwartet, und Fowler muss lernen, dass es manchmal unmöglich ist, sich nicht einzumischen.

"Der stille Amerikaner" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Graham Greene aus dem Jahre 1955, der quasi den ersten kontroversen Beitrag zum Thema Vietnamkrieg darstellte, bevor dieser überhaupt wirklich angefangen hatte. Die zunächst fast unmerkliche, sich im Hintergrund heranschleichende Geschichte der Involvierung des CIA in die entstehenden Bürgerkriegskonflikte in Vietnam (und damit einhergehend die Unterstützung terroristischer Aktivitäten) war eine frühe Anklage gegen das imperialistische Weltpolizistengehabe der Amerikaner und damit Pflichtlektüre jedes gebildeten Kriegsgegners in den 60ern. Keine Thematik, die das amerikanische Kinopublikum von heute einfach schluckt, und die in der Heimat des neu entfachten heiligen Patriotismus in den Nachwehen des 11. September noch schlechter gerutscht wäre. Weshalb der ursprünglich geplante Start im Herbst 2001 verschoben wurde und der Film erst ein Jahr später in die Kinos kam - als sich gerade der nächste Irak-Krieg zusammen brodelte und derlei kritisches Material wieder nicht sehr beliebt war.
Das jedoch nur zum Hintergrund und als Erklärung dafür, warum "Der stille Amerikaner" in den USA nur von der kleinen Gemeinde der denkenden Kinofreunde wahrgenommen wurde und ansonsten eher unterm Teppich verschwand - trotz einer Oscar-Nominierung für Michael Caine in der Hauptrolle. Tatsächlich ist es als besondere Empfehlung für einen Film mit dieser Thematik zu betrachten, wenn ihn die breite Masse der Amerikaner nicht sehen will, denn das heißt, dass er genau die richtigen Töne anschlägt. Und das tut er wirklich.
Unter der Regie von Phillip Noyce, der sich in den 90ern zunächst als Action-Inszenator etablierte (u.a. "Die Stunde der Patrioten") und nun mit einem erstaunlichen Doppelschlag von Qualitätskino (siehe Kritik zu "Long Walk Home") auf sich aufmerksam macht, gerät "Der stille Amerikaner" zu einer hervorragenden, beizeiten grandiosen Literaturverfilmung, die ihre offensichtliche politische Dimension nie markant in den Vordergrund kehrt und diese kaum kommentiert - da die Fakten genug für sich sprechen. Es wäre einfach gesehen, hier klare moralische Linien zu ziehen zwischen Gut und Böse, doch so einfach verhalten sich die Dinge nicht, und werden deshalb auch nicht so gezeigt. Wer hier Böses tut ist aufrichtig davon überzeugt, richtig zu handeln, und eine ausschlaggebende Entscheidung gegen Ende wäre wohl gerne moralisch motiviert, ist aber vielleicht doch nur ein Akt persönlicher Rache.
Brendan Fraser, der viel zu oft in dummen Komik-Rollen verheizt wird, und Michael Caine liefern sich hier ein hervorragendes Gentleman-Duell, in dem die Kontrahenten in Liebesdingen dennoch stets Respekt und Achtung voreinander bewahren, und in dem es auch in Momenten höchster Lebensgefahr angebracht scheint, sich in ehrlicher Weise über die eingebildete Liebe zu unterhalten. Die erzählerische Stärke von "Der stille Amerikaner", die doppelte Plotführung sowohl der politischen Dimension als auch der Dreiecksgeschichte, ist der brillanten Vorlage von Graham Greene zu verdanken, eine adäquate Umsetzung eines solch herausfordernden Stoffes muss man jedoch erst einmal hinbekommen. Phillip Noyce gelingt dies meisterhaft und auf angenehm subtile Weise. Ohne auch nur einmal selbst offensichtlich Position zu beziehen, vermittelt er leise seine Botschaft: Man muss sich für eine Seite entscheiden, wenn man menschlich bleiben will. Dass dies zumeist nicht die Seite der Amerikaner ist, wissen wir heutzutage besser denn je.

Bilder: Copyright

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