Der Name der Leute

Originaltitel
Le nom des gens
Land
Jahr
2010
Laufzeit
104 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 27. April 2011

Manchmal könnte man neidisch werden auf das französische Kino. Regelmäßig schafft man es dort Filme zu produzieren, die nicht nur besser aussehen, sondern auch erzählerisch ähnlichen Produktionen aus Deutschland deutlich überlegen sind. Sei es ein realistisches Sozialdrama wie Laurent Cantets "Die Klasse", der sensationell erfolgreiche Mönchsfilm "Von Menschen und Göttern", das Biopic "Gainsbourg" oder simple Blödelkomödien wie "Willkommen bei den Sch'tis" - immer erscheinen diese Werke wesentlich präziser und komplexer als deutsche Entsprechungen. Und dabei haben die Franzosen auch immer den Blick für das Publikum. Die genannten Filme haben millionenfach die Kassen in Frankreich klingeln lassen.
Das gleiche gilt auch für Michel Leclercs Komödie "Der Namen der Leute". Erst kürzlich wurde der Film mit zwei französischen Filmpreisen, den Césars, ausgezeichnet, und zwar für das beste Drehbuch und die beste Hauptdarstellerin, Sara Forestier. Sie spielt Bahia Banmahmoud, eine junge Frau algerischer Abstammung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, konservative und radikale Politiker und Stimmungsmacher ins Bett zu bekommen, um sie dann - noch während des Akts - zu liberalen Freigeistern zu machen. Bahia hat eine wirklich beeindruckende Erfolgsquote, die ihrem stürmischen Lebensmotto wohl Recht gibt. Als sie in einer Radiosendung Arthur Martin (Jacques Gamblin) trifft, meint sie wieder so einen verstaubten Konservativen vor sich zu haben. Doch Arthur ist kein Konservativer, sondern eher ein klassischer linker Verlierer, dessen größte Niederlage es ist, regelmäßig auf seinen Namen angesprochen zu werden. Denn Arthur Martin ist auch die Bezeichnung für äußerst bekannte, französische Haushaltsgeräte.

Genau darum geht es dieser Komödie, nämlich die oftmals dümmlichen Vorurteile der Leute aufzudecken. Bahia wird - wie Arthur auch - häufig auf ihren Namen angesprochen. "Ist das brasilianisch?", hört sie dann. "Nein, algerisch", antwortet sie selbstbewusst. Doch die Abscheu in den Augen der Menschen kann sie nicht ignorieren. Deshalb ist die erste Viertelstunde des Films so brillant. Denn Regisseur Leclerc, der das Drehbuch zusammen mit seiner Frau geschrieben hat, lässt Arthur und Bahia ihre Familiengeschichten erzählen. So erfahren wir von Arthurs Mutter, einer Jüdin, die ihre ganze Familie beim Holocaust verloren hat, die dann ihren Namen änderte, um so ihre Identität zu verbergen. Oder von Bahias Vater Mohamed (Zinedine Soualem), der seine Eltern beim Algerienkrieg verloren hat und in Frankreich von einer fanatisch liberalen Frau geheiratet wurde und nun Haushaltsgeräte und Autos repariert, aber eigentlich ein hochbegabter Künstler ist.
Die Konflikte werden hier in die Gegenwart transportiert und in aberwitzigen, aber nie vulgären oder offensichtlichen Momenten der Erzählung aufgelöst. Man könnte ja vermuten, dass ein Film in dem der Holocaust, Pubertät, Flucht, Vertreibung, Algerienkrieg, Rassismus, Antisemitismus, die Vogelgrippe, Integration, Auswanderung, Islamismus, Sex und die schwache Linke Frankreichs thematisiert werden, an der Fülle seines Materials erstickt. Das dies nicht geschieht, ist die große Kunst von "Der Name der Leute".
Hier wird nichts einem guten Gag geopfert, denn Leclerc hat immer auch die verworrene Liebesbeziehung zwischen Bahia und Arthur im Auge, die trotz einiger konventioneller Ansätze die eigentliche Struktur des Films darstellt. Kommen die beiden nun zusammen oder nicht? Ohne diese Frage, würde der Film in eine weniger sehenswerte Sketch-Show zerfallen. So ist er aber eine hoch intelligente und dabei sehr amüsante Satire auf alle Integrationsdebatten in Frankreich und - weil sie gar nicht so verschieden sind - auch in Deutschland geworden. Im Gegensatz zu dem Samdereli-Film "Almanya" bleibt "Der Name der Leute" die meiste Zeit in der Gegenwart. Er hat keine Angst, seine Ideen mit aktuellen Nachrichtenbildern zu konfrontieren. So ist es natürlich genial, dass der ehemalige linke Präsidentschaftskandidat Lionel Jospin einen kleinen Cameo-Auftritt hat.

Allen kulturellen Vorurteilen zeigt diese wunderbare Komödie den Stinkefinger. Sie fordert etwas mehr Offenheit und Gelassenheit, wenn es um heikle Integrationsfragen geht. Das alles macht "Der Name der Leute" unaufgeregt und mit einem herrlichen Sinn für Humor. Und wieder beweisen die Franzosen, wie guter Mainstream - auch in Deutschland - funktionieren sollte.

Bilder: Copyright

8
8/10

Der Film ist wirklich saulustig :-)

Permalink

7
7/10

Ein netter Film, der mich inhaltlich stark an den "Fischer und seine Frau" von D.D. erinnert hat. Aber unter ganz anderen Vorzeichen.
Die Machart ist lockerer, französischer halt. Viel Esprit und ein wenig verträunte Melancholie, natürlich auch viel Spaß und ein tolles Menschenbild wird transportiert.
Ein wenig Tiefgang hat der Film, genau richtig, damit er nicht völlig trivial wird aber auch nicht zu viel. Was auch ganz gut ist, da man beschwingt und gut gelaunt aus dem Kino kommt. Also ich zumindest.
;O)

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