Der letzte Kuss

Originaltitel
The Last Kiss
Land
Jahr
2006
Laufzeit
104 min
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 19. August 2010

 

Der Endzwanziger Michael ("Garden State"-Star Zach Braff) hat eigentlich alles, was man sich wünschen kann: Einen guten Job, eine wundervolle Freundin, und jetzt auch noch Nachwuchs auf dem Weg. Doch der Grund, warum Michael nicht übers Heiraten reden will, ist derselbe, warum ihm die ganze Situation Unwohlsein bereitet. Klar, er könnte jetzt einfach Ja sagen zu Ehe, Familie und lebenslanger Bindung, aber: Will er das denn?
Michael hat ganz einfach Angst davor, sich festzulegen, keine Überraschungen und keine Aufregung mehr zu erleben. Problematisch wird diese Unentschlossenheit, als er auf der Hochzeit eines Freundes die junge Studentin Kim (Rachel Bilson) trifft, die ebenso süß wie offensichtlich scharf auf Michael ist. Hinter dem Rücken seiner schwangeren Freundin Jenna (Jacinda Barrett) kann Michael es nicht lassen und verabredet sich mit Kim. Er ist allerdings nicht der einzige, der mit der Aussicht auf oder den Auswirkungen von einer festen Bindung kämpft. Sein Kumpel Chris (Casey Affleck) leidet darunter, dass seine Ehe mit Lisa seit der Geburt ihres ersten Babys zur Hölle geworden ist; Izzy und Kenny, die andere Hälfte des Männerquartetts, wollen - von Beziehungen gebrandmarkt - auf einen Abenteuertrip nach Südamerika fliehen; und Jennas Mutter Anna (Blythe Danner) ist von ihrer völlig eingeschlafenen Ehe mit Stephen (Tom Wilkinson) so gefrustet, dass sie einen längst vergangenen Ehebruch gesteht und ihren Mann endgültig verlassen will.

Wem das alles irgendwie bekannt vorkommt, der hat wahrscheinlich vor fünf Jahren den italienischen Film "L'ultimo bacio" gesehen. Dieser erfährt hier nun sein Hollywood-Remake, und damals wie auch heute ist dabei ein bezaubernder, nachdenklicher und grundehrlicher Film heraus gekommen, dessen Figuren allesamt sehr menschlich sind und drum mit Fehlern behaftet, die man nur allzu gut nachvollziehen kann. Wenn Kim den etwas überrumpelten Michael bei ihrer ersten Begegnung fragt, ob er eine Freundin hat, möchte man ihm einerseits zurufen "Jetzt sei gefälligst ehrlich!", kann andererseits aber auch gut verstehen, warum ihm das "Ja" nur sehr zögerlich über die Lippen kommt. "Der letzte Kuss" ist voll von solchen Momenten, in denen die Vernunft das eine sagt, doch das Gefühl oder der Instinkt etwas anderes, und all diese Momente haben etwas mit Akzeptanz der eigenen Situation zu tun und der Notwendigkeit, Lebensentscheidungen zu treffen und auch zu halten.
Dass einem solche Situationen nicht nur mit Ende 20 auf dem Weg zu Erwachsensein und Familienverantwortung begegnen, sondern auch noch danach, verdeutlicht der Nebenstrang um Jennas Eltern, der in vielerlei Hinsicht die Konflikte der jüngeren Figuren thematisch spiegelt und schön verdeutlicht, dass wir alle wohl unser ganzes Leben mit der stillen Sehnsucht nach etwas mehr Leidenschaft, etwas mehr Aufregung, etwas mehr Abwechslung verbringen werden. Jede Figur in "Der letzte Kuss" setzt sich auf die eine oder andere Weise damit auseinander, und ihre verschiedenen Geschichten werden durch Dramaturgie und Montage meisterhaft zu einem thematischen Gesamtbild verwoben.
Da möchte man schnell ein großes Lob an Drehbuchautor Paul Haggis loswerden, der immerhin mit "Million Dollar Baby" und "L.A. Crash" bewiesen hat, dass er zu den derzeit größten Künstlern seiner Zunft in Hollywood zählt. Allerdings orientierte sich Haggis bei seiner Adaption sehr stark am italienischen Original und wich kaum von der Vorlage ab, so dass das eigentliche Lob auch in diesem Fall Gabriele Muccino gebührt, Regisseur und Autor des Originalfilms. Immerhin: Haggis hat großartige Dialoge mit Wortwitz und Charme geschaffen, die ihren Teil zum gelungenen Filmvergnügen beitragen. Das tun im Übrigen auch die durchweg hervorragenden Darsteller, die ihre komplexen Figuren sehr gut beherrschen und die diffizilen Gefühlslagen toll auszudrücken verstehen. Zach Braff, den viele immer noch nur als Clown aus der Ärzte-Sitcom "Scrubs" kennen, beweist hier erneut seine Berufung zu Größerem und macht das Hadern und Zweifeln von Michael in jeder Sekunde subtil spürbar.

Spüren kann man auch selbst im Remake noch das italienische Lebensgefühl, das hinter "Der letzte Kuss" steckt, und das nicht nur wegen der leicht nach südländischem Machismo duftenden Thematik von der Schwierigkeit, sich ein für alle mal an einen festen Partner zu binden. Es herrscht ein permanentes Gefühl von Lebensdurst und Leidenschaft, und trotz des ernsten Themas auch immer eine gewisse Leichtigkeit, wie man sie in dieser Mischung tatsächlich nur aus dem südeuropäischen Kino kennt. Bezeichnenderweise wagt sich "Der letzte Kuss" dann auch weiter, als es ein üblicher amerikanischer Film tun würde, und schraubt seine Konflikte bis zu einem Punkt hoch, wo sie eben nicht mehr in einem einfachen Happy End aufgelöst werden können, aber umso lebensnaher und wahrhaftiger sind.
Versuchung und Zweifel sind Fakten des Lebens, und trotzdem muss es auch damit irgendwie weitergehen. Das ist keine Moral, die man im Hollywood-Mainstream erwarten würde. Gerade deshalb ist "Der letzte Kuss" auch soviel besser, klüger und, ja, komischer als die meisten seiner artverwandten amerikanischen Genre-Kollegen.

Bilder: Copyright

8
8/10

Toller Film .Realistischer als viele andere Beziehungsfilme.Die Handlung könnte sich wirklich irgendwo zugetragen haben.Besonders gefallen hat mir das Schauspiel von Tom Wilkinson der immer großartig spielt

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Werde mir den Film auf DVD heute in Kiel ansehen. Hoffe, er wird genauso gut sein, als würde ich ihn in New York gucken - da war ich nämlich noch nie. In welcher Stadt ist der Film denn sonst noch gut?

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