Butch Cassidy & Sundance Kid

Originaltitel
Butch Cassidy and the Sundance Kid
Land
Jahr
1969
Laufzeit
110 min
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 8. Mai 2011

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"John Wayne don't run." Diese Antwort bekam William Goldman einst von einem gewichtigen Studioproduzenten als Begründung, warum er das von dem Autor vorgelegte Drehbuch nicht verfilmen wollte. Vier einfache Worte, die zusammenfassen, warum Hollywood in den drei Jahrzehnten, welche die Blütezeit des Western-Genres erlebten, nie auf die Idee kam, die Geschichte von Butch Cassidy und dem Sundance Kid zu adaptieren. Zwei Gesetzlose, die zu ihrer Zeit im wilden Westen lebende Legenden waren, Cassidy ein Gentleman-Ganove, der seine Überfälle mit lockeren Sprüchen auf den Lippen durchführte und die Beute freimütig am Kartentisch und mit Lokalrunden verprasste, bei der Bevölkerung so beliebt, dass sie ihn sogar freiwillig vor dem Gesetz versteckte; und an seiner Seite das Sundance Kid, den Mythen nach der beste Pistolenschütze, den es im Westen je gegeben hat. Trotzdem taugten Butch und Sundance nach den gängigen Regeln nicht als Filmhelden. Denn Protagonisten in einem Hollywood-Western sind aufrechte Männer mit einer von amerikanischen Tugenden gestählten Brust, und selbst wenn sie Gesetzlose sind, so haben sie doch genug Mumm, um vor einem Kampf nicht davon zu laufen. "John Wayne don't run."
Nachdem Butch und Sundance mit ihrer Bande einmal zu oft einen Zug einer großen Eisenbahnlinie überfallen hatten, hetzte deren Besitzer ihnen eine Gruppe der besten Gesetzeshüter des Landes auf den Hals, angeheuert mit dem einzigen Auftrag, die beiden zur Strecke zu bringen. William Goldmans damaliger Gesprächspartner wollte diese Geschichte nur verfilmen, wenn Butch und Sundance sich ihren Jägern gestellt und gekämpft hätten. Das ist aber nicht, was wirklich passiert ist. Butch und Sundance flohen, sehr weit weg. Nicht mal bloß nach Mexiko und durch Texas, wie anständige Gesetzlose. Sondern mit dem Schiff bis nach Bolivien. Und eine Frau haben sie auch noch mitgenommen. Westernhelden tun sowas nicht.

So waren die Regeln. Gott sei Dank befand man sich aber am Ende der 60er Jahre, die Ära des "New Hollywood" war gerade eingeläutet worden (mehr dazu siehe unsere Gold-Rezension zu "Bonnie und Clyde") und änderte alle Regeln - denn auf einmal gab es keine mehr. Und plötzlich wurde William Goldmans Skript, der ungewöhnlichste Western in der Geschichte des Genres, zur heißesten Ware Hollywoods. Nach einer nie dagewesenen Preisschlacht ging Goldmans Drehbuch für die damals unerhörte Rekordsumme von 400.000 Dollar über den Tisch. Ein Investment-Risiko, das durch den gigantischen Kassenerfolg des Films mehr als belohnt wurde und der gerechte Lohn für eines der besten Drehbücher der Filmgeschichte war, die Basis für einen Film, der als Erfinder des buddy movie gelten kann und das wohl einmalige Kunststück fertig brachte, zugleich von derselben leisen Tragik wie alle großen Western erfüllt zu sein und sein Publikum zum Lachen zu bringen wie kaum eine andere Komödie seiner Zeit.
Tatsächlich erzielte "Butch Cassidy & Sundance Kid" bei seinen Testvorführungen seinen ersten Lacher schon bevor der Film überhaupt richtig los ging: Goldman eröffnete sein Skript ironisch mit dem Hinweis "Not that it matters, but most of what follows is true." Regisseur George Roy Hill (einer der größten unbesungenen Regie-Helden in Hollywoods Geschichte) machte sich ob dieses Gelächters solche Sorgen, dass das Publikum mit den tragischen Tönen des Films nicht mitgehen würde, dass man tatsächlich einige Gags wieder aus dem Film raus schnitt und den Hinweis zur Eröffnung kürzte: "Most of what follows is true."

Was dann folgt, ist in der Tat erstmal leise tragisch, in Sepia-farbenen Bildern durchzogen von derselben Nostalgie wie jeder "echte" Western, geprägt von den Zeichen einer Zeitenwende, welche den "wilden Westen" wieder auslöschte, bevor er überhaupt richtig entstanden war. In der ersten Szene des Films sieht Butch sich eine neu eingerichtete Bank an: schwere Stahlgitter, kräftige Wachleute, und ein dicker Safe mit geradezu furchteinflößend großen Schlössern. Butch schaut traurig: So eine Bank kann man nicht so leicht ausrauben. Früher war das mal einfacher….
Bis hierhin führen Butch und Sundance ein sorgloses Leben. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes angekommen, zeichnet die erste halbe Stunde des Films ihre Welt als einen romantischen Traum des Gesetzlosen-Daseins: Von andern Gangstern gefürchtet, von der Bevölkerung (und den Damen) geliebt, "verfolgt" von unfähigen Gesetzeshütern, frei und unbekümmert in den Tag hinein lebend, und wenn das Geld knapp wird, überfällt man halt wieder irgendwas. Und das alles vor dem Hintergrund des heutigen Zion National Park, eines der schönsten Fleckchen Erde im amerikanischen Westen. Wahrlich ein Leben wie im Paradies.
Bevor die unkonventionellen Helden daraus vertrieben werden, feiert der Film dieses Paradies in einer Sequenz, die weltberühmt geworden ist: Butch entführt Sundances Geliebte Etta Place (Katharine Ross, Elaine Robinson aus "Die Reifeprüfung") auf einen Fahrradausflug. In Goldmans Skript war dies nur eine einfache Szene, in der die beiden durch eine Geisterstadt radeln. Doch Conrad L. Hall (einer der stilprägenden Kameramänner von New Hollywood, der für diesen Film seinen ersten von drei Oscars bekam, die anderen beiden am Ende seiner Karriere für "American Beauty" und posthum für "Road to Perdition", verliehen elf Wochen nach Halls Tod am 4. Januar 2003) hatte eine andere Idee. Und so saß man damals also in diesem etwas andersartig anmutenden Western, und auf einmal kommt … ein Musikvideo?! Nicht, dass 1969 irgendjemand eine Vorstellung davon gehabt hätte, wie ein Musikvideo aussieht, aber Butchs und Ettas übermütiger Fahrradritt, unterlegt mit dem zum Welthit avancierten und als bester Song Oscar-gekrönten Evergreen "Raindrops keep falling on my head", ist mit diesem Begriff ziemlich treffend umschrieben. Solch ein erstmal reichlich befremdlicher Stilbruch (bevor man sich unsterblich in die Sequenz und den Song verliebt) wäre noch wenige Jahre zuvor undenkbar gewesen. Wie so vieles in diesem Film. Aber das war eben New Hollywood und sein Credo "Lasst uns doch einfach mal was anderes ausprobieren".
So wie Butchs Radfahrbegleitung Etta Place, die wohl ungewöhnlichste Frauenfigur, die man je in der Männerwelt des Westerns gesehen hat. Eine faszinierende Frau, über die Goldman meisterhaft den unausgesprochenen Ehrenkodex in der Freundschaft seiner beiden Helden etabliert: Es ist offensichtlich, dass Butch und Etta sich nicht weniger lieben als Etta und Sundance, aber sie ist eben mit Sundance zusammen, und darum glaubt niemand der drei auch nur für eine Sekunde, dass etwas zwischen Etta und Butch passieren könnte. Etta ist von einer Unabhängigkeit, Weisheit und Eigenständigkeit, wie sie keiner anderen Frauenfigur im Western je zugestanden wurde. Ein Charakter auf den Punkt gebracht in einem einzigen, denkwürdigen Monolog. Als Butch und Sundance ihr anbieten, sie auf ihre Flucht nach Südamerika zu begleiten, antwortet Etta: "I'm 26, and I'm single, and a school teacher. And that's the bottom of the pit. And the only excitement I've known is here with me now. I'll go with you, and I won't whine, and I'll sew your socks, and I'll stitch you when you're wounded, and I'll do anything you ask of me except one thing. I won't watch you die. I'll miss that scene if you don't mind." Zurück bleibt einzig das Fahrrad, zuvor Symbol unbeschwerter Lebensfreude, nun verwandelt in ein unheilschwangeres Omen der herannahenden Moderne.

Zwischen Paradies und Flucht steht die Kernsequenz von "Butch Cassidy & Sundance Kid", eine knappe halbe Stunde von schlichtweg brillanter filmischer Erzählkunst. Bei ihrem nächsten Eisenbahnüberfall werden Butch und Sundance von der Industrialisierung eingeholt: Wie aus dem Nichts taucht ein schwarzes Ungeheuer von einem Zug auf und spuckt aus seinem Bauch sechs Reiter aus als wären es Maschinen-Wesen, Gegner von gefühlloser Erbarmungslosigkeit und scheinbar übermenschlichen Fähigkeiten. Butch und Sundance flüchten, doch die "super posse" (wie Goldman diesen Ehrfurcht einflößenden Wundertrupp nannte) lässt sich einfach nicht abschütteln. In einer Verfolgungsjagd, die sich fast über zwei Tage hinzieht, versuchen Butch und Sundance mit jedem Trick, den sie kennen, ihre Verfolger von ihrer Spur abzubringen, doch es will einfach nicht klappen.
Der Dialog reduziert sich in dieser Zeit auf ein Minimum, dreht sich um wenige Sätze wie das alle paar Minuten mit wachsender Ungläubigkeit geäußerte "Who are those guys?", wenn Butch und Sundance feststellen müssen, dass ihre Verfolger auch auf den letzten, vermeintlich cleveren Kniff nicht hereingefallen sind. Der unbezwingbar erscheinende Gegner wirkt nur umso bedrohlicher, da man nicht ein einziges Mal auch nur ein Gesicht der Truppe sieht.
Nicht nur in dieser in ihrer Art einmaligen Verfolgungsjagd erweist sich "Butch & Sundance" als Lehrbuch-artiges Paradebeispiel für filmisches Erzählen - in Bildern, nicht in Worten. Großartig bebilderte Montage-Sequenzen durchziehen den Film, in denen kein Wort gesprochen aber doch unglaublich viel erzählt wird. Und wenn gesprochen wird, dann sind es meist Sätze von denkwürdiger Brillanz aus der genialen Feder William Goldmans, wie Ettas Monolog oder die prophetische Vorhersage eines alten Freundes, den Butch und Sundance im Laufe der Verfolgungsjagd mit einem irrwitzigen Fluchtplan vergeblich um Hilfe bitten: "You're times is over! And you're gonna die bloody! And all you can do is choose where."
"Most of what follows is true." Auch wenn Goldman sein Thema jahrelang recherchiert hat und zahllose historisch verbürgte Details in sein Skript einarbeitete, so ließ er sich - zum Glück - doch einige künstlerische Freiheiten. Tatsächlich nahmen Butch und Sundance die Füße in die Hand, sobald sie auch nur von der "super posse" hörten - sie wussten, dass sie gegen diesen Trupp keine Chance haben würden. Die schier endlose Verfolgungsjagd hat es darum in Wirklichkeit nie gegeben, ebenso wenig wie ihr legendäres Ende. Wie Butch und Sundance es schließlich schaffen, die "super posse" abzuschütteln, ist eine zu schöne Szene, um sie für die Glücklichen, die das erste Erleben dieses Films noch vor sich haben, hier zu verraten.

"Butch Cassidy & Sundance Kid" ist ein nahezu perfekter Film, ausgeführt mit größtem handwerklichen Genie, von Goldmans Skript über Hills Regie bis hin zu den atemberaubend komponierten Bildern von Hall. Am meisten augenscheinlich und darum auch unvergessen ist indes die Chemie zwischen seinen Hauptdarstellern Paul Newman und Robert Redford. Es ist kaum noch vorzustellen, kennt man ihn heute doch als einen der größten Stars, die Hollywood je hervor gebracht hat, aber damals haben sich nicht wenige Zuschauer gefragt: "Robert wer?". Newman war 1969 bereits ein gefeierter Star, aber Redford noch ein relativer Kino-Neuling, den man nur als hübschen Spitzbuben aus ein paar harmlosen Komödien kannte. Doch anstatt wie zunächst geplant Newman zusammen mit einem anderen Schwergewicht wie Jack Lemmon oder Steve McQueen zu besetzen, ging die Rolle des wortkargen Revolverhelden Sundance Kid ausgerechnet an diesen blonden Strahlemann. Redfords so überraschende wie grandiose Vorstellung als Sundance wurde zum Grundstein einer Weltkarriere, und so war es durchaus angemessen, dass Redford, als er Jahre später ein Filmfestival ins Leben rief, das zum Grundstein eines neuen amerikanischen Kinos werden sollte, ihm ebendiesen Namen gab: Sundance.
Wie er und Newman die beiden Titelhelden zum Leben erwecken, das ist tatsächlich von solch einer Frische, Chemie und entwaffnendem Charme, dass es wenig verwundert, dass Butch und Sundance zur Blaupause für zahllose folgende Buddy-Paare in Hollywood-Filmen wurden (und Newman und Redford wenige Jahre später erneut unter der Regie von George Roy Hill als ungleiches Kumpel-Duo besetzt wurden, 1973 im Klassiker "Der Clou", für den Hill dann auch den Regie-Oscar bekam, der ihm hier noch verwährt blieb). Butch und Sundance sind so ziemlich die zwei coolsten Jungs, die man je in einem Western gesehen hat, auf ihre Ganoven-Art unglaublich clever und gewitzt, aber ansonsten doch ziemlich einfache Gemüter und glückselig in ihrer Ahnungslosigkeit. Herrlich, wie Goldman quer durch den Film an prägnanten Stellen immer wieder durchaus wichtige Dinge einstreut, die Butch und Sundance bisher nicht voneinander wussten, weil sie nie darauf kamen, zu fragen.

Butch und Sundance waren keine Western-Helden in klassischer Manier, und darum kommt es wohl nicht von ungefähr, dass sie im selben Jahr auf der Leinwand erschienen wie Sam Peckinpahs "Wild Bunch", ein weiteres Meisterwerk, dessen tragische "Helden" Gesetzlose und nicht Gesetzeshüter sind, und die am Ende genauso untergehen müssen wie die sich wandelnde Welt um sie herum. Es war der logische Endpunkt eines Genres, und so wurde 1969 in der Tat zu dem Jahr, in dem der klassische Western starb. Seitdem gibt es nur noch alle paar Jubeljahre einen "Revisionist Western", der mit den alten Genre-Mythen aufräumt, wie es "Butch & Sundance" und "The Wild Bunch" vorgemacht haben.
Doch wo man alte Mythen einreißt, kann man gleichzeitig neue errichten. Butch und Sundance waren keine Helden, sie sind weggelaufen, was John Wayne nie getan hätte. Aber sie waren Legenden. Und zu solchen machte sie auch dieser Film wieder. Nicht zuletzt, indem er ihnen einen unvergesslichen Abgang gönnte, und mit einem Bild endet, das zu einem der berühmtesten der Filmgeschichte wurde. "Butch Cassidy & Sundance Kid" ist der ungewöhnlichste Western, den es je gegeben hat. Und ganz sicher auch einer der besten.

Bilder: Copyright

Dieser Film sollte in keiner guten Filsammlung fehlen.

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