All is lost

Originaltitel
All is lost
Land
Jahr
2013
Laufzeit
106 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Maximilian Schröter / 20. Dezember 2013

EinRobert Redford alter Mann allein auf dem Meer. Mit diesen Worten hat man  „All Is Lost“ eigentlich schon erschöpfend zusammengefasst, gibt es hier doch tatsächlich über gut 100 Minuten nichts anderes zu sehen. Doch der Vollständigkeit halber versuchen wir uns hier einmal an einer zumindest etwas ausführlicheren Inhaltsangabe: Mitten auf dem indischen Ozean wird ein Mann (Robert Redford) aus dem Schlaf gerissen. Ein im Meer treibender Frachtcontainer hat seine Segelyacht gerammt, durch das so entstandene Leck droht das Boot nun voll Wasser zu laufen und unterzugehen. Dem Mann gelingt es, das Leck notdürftig zu flicken. Doch die Gefahr ist damit noch lange nicht vorüber, schließlich treibt das Boot in einen gewaltigen Sturm hinein und das eingetretene Wasser hat sein Funkgerät unbrauchbar gemacht. Ganz allein den Naturgewalten ausgesetzt, gibt es für den Mann auf dem Segelboot nur ein einziges Ziel: Überleben.
 

Dass hier stets nur von „dem Mann“ die Rede ist, liegt daran, dass Robert Redfords Figur in „All Is Lost“ ganz einfach keinen Namen hat und auch das Drehbuch ihn nur als "unser Mann" bezeichnet, durch dessen Augen wir das Geschehen erleben und mit dem wir buchstäblich den gesamten Film verbringen. Denn wie schon erwähnt spielt der ganze Film auf dem Ozean und unser Mann auf dem Segelboot ist hier nicht nur die Hauptfigur, sondern der einzige Mensch weit und breit. Einen Mann, ein Boot und das Meer, viel mehr braucht Drehbuchautor und Regisseur J.C. Chandor hier nicht, um seine Geschichte zu erzählen. Nach seinem dialoglastigen Erstlingswerk, dem Ensemblefilm „Der große Crash – Margin Call“, für dessen Drehbuch Chandor eine Oscarnominierung erhielt, verzichtet er nun in „All Is Lost“ fast vollständig auf das gesprochene Wort und jeden sonstigen scheinbar unnötigen Firlefanz. Gelohnt hat sich das allerdings nur bedingt.

Zu Beginn des Films, als das Boot von dem Schiffscontainer gerammt wird, setzt Chandor die Weite des Ozeans in Kontrast zu Robert Redfordder Enge des Schiffsrumpfes, in dem der einsame Segler auf seiner Matratze hochschreckt. Nur diese wenigen Quadratmeter bleiben ihm als sicherer, trockener Lebensraum und diesen gilt es zu verteidigen und zu schützen. Robert Redford dabei zuzusehen, mit welcher Entschlossenheit und Verbissenheit er hier eine Aufgabe nach der anderen angeht, um sein Überleben zu sichern, das ist die Hauptattraktion von „All Is Lost“. Von einem kurzen, interpretationsbedürftigen Voice-over am Anfang abgesehen, spricht Redford den ganzen Film über fast nichts. Sein Schauspiel besteht allein aus seiner physischen Präsenz, seiner Mimik und Gestik.

Genau hierin liegt – bei einem Schauspieler vom Kaliber Robert Redfords wenig überraschend – die Stärke des Films. Wie Redford hier die anfängliche Entschlossenheit und die dann doch zunehmende Erschöpfung und Verzweiflung dieses Mannes in seinem zurückgenommenen und gerade darum realistischen Schauspiel ausdrückt, das ist großartiges Schauspielerkino. Auf lautstarke Schreianfälle, Weinkrämpfe oder dergleichen verzichtet der Film vollkommen, lediglich einmal kommt Redford ein wütendes und verzweifeltes „Fuck!“ über die Lippen. Auch die körperbetonten Aspekte seiner Rolle füllt Redford voll und ganz aus, was ja angesichts seines Alters von 76 Jahren durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Aber unser Mann zieht sich am Mast seines Schiffes hoch, hangelt sich an der Seite des Bootes herunter und watet selbst dann noch durch den Schiffsrumpf, als ihm das Wasser buchstäblich bis zum Halse steht.

Bei derartigen Tätigkeiten darf man RRobert Redfordedford hier also zuschauen. Chandor hat für seinen Film den Überlebenskampf eines einzelnen Mannes auf seine grundlegenden Elemente reduziert. Ohne eine Spoilerwarnung aussprechen zu müssen, kann man verraten, dass in „All Is Lost“ weder Haiangriffe noch eine Begegnung mit Piraten vorkommen. Der Film verweigert sich derartiger Storyklischees vollkommen und zeigt, dass das Überleben auch so schon schwer genug ist, wenn man hilflos auf dem Meer treibt. Diese Reduktion ist aber zugleich auch das große Problem des Films. Denn man erfährt nicht nur den Namen des Protagonisten nicht, man erfährt auch sonst so gut wie nichts über ihn und hat dementsprechend keinen Bezug zu ihm. Dass „unser Mann“ ein erfahrener Segler ist, kann man sich anhand seiner Handlungen erschließen. Doch woher kommt er? Warum hat es ihn mitten auf den indischen Ozean verschlagen? Wer ist dieser Mann?

Dass Chandor darauf verzichtet, seinen Protagonisten Selbstgespräche führen zu lassen oder etwa seine Vorgeschichte in Rückblenden oder einem Prolog zu zeigen, ist zwar im Rahmen seines reduktionistischen Ansatzes nur konsequent. Doch gleichzeitig macht er es seinem Publikum damit sehr schwer, sich für diesen Mann zu interessieren. So bleibt „unser Mann“ weitgehend konturlos. Seine gegenwärtige Situation ist zwar klar definiert und bringt auch einiges an Spannungspotential mit sich, doch da sich diese Situation quasi über den ganzen Film erstreckt und man rein gar nichts über die Hintergrundgeschichte des Protagonisten weiß, sitzt man nach dem Filmende etwas verloren und ratlos im Kinosessel. Dass das Gesehene schauspielerisch und technisch hochklassig ist, reicht da leider nicht aus, um auch das Filmerlebnis als Ganzes so zu beschreiben.

Das Gesamturteil ist also ein zwiespältiges. Immerhin macht „All Is Lost“ seinem Namen alle Ehre, denn auch der Zuschauer fühRobert Redford againlt sich im Anschluss an den Film ein wenig verloren. Robert Redfords Leistung ist sicherlich beachtlich, doch der Film und seine Geschichte als Ganzes wirken…nun ja, auch ein wenig verloren. Auf der Suche nach Bedeutung kann man sich darin versuchen, die Schlussszene oder das bereits erwähnte Voice-over der Anfangsszene zu interpretieren. Einen weiteren Ansatz dazu bieten die wunderschönen Unterwasseraufnahmen, in denen man immer wieder das Boot von unten sieht und gleichzeitig das Leben im Meer, das sich von dem Überlebenskampf des Mannes dort oben völlig unbeeindruckt zeigt: Fischschwärme, die langsam ihres Weges ziehen; große Fische die kleine Fische fressen, so wie sie es schon immer getan haben. Das Leben im Meer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Vielleicht ist das die Botschaft dieses Films: Dass so ein einsamer Mann auf dem Ozean, mögen seine Qualen noch so groß sein, doch eigentlich recht klein und unbedeutend ist.

Bilder: Copyright

Hallo bei Filmszene,
lese seit Jahren jede Woche eure Seite und dies ist nun das erste Mal, dass ich was zu eurer Kritik sagen muss.
Ich find's unverzeihlich dem Film nur 6 Sterne zu geben. Es ist ein Klasse Beitrag zur Filmlandschaft. Die Macher haben etwas gewagt. Die fehlende Hintergrundgeschichte erhält den Raum für eigene Deutungen. Der Film ist spannend, weil in jeder Szene man zum Mitdenken angeregt wird. Ich fand's schön als Zuschauer ernst genommen zu werden und aufpassen zu müssen. Durch das genaue Schauspiel und die sparsame Erzählweise wirkt der Film elegant. Ich fand's schön im Gesicht von Redford und in den Bildern lesen. Das bekommt man so selten geboten. In anderen Filmen wird alles doppelt und dreifach erklärt, dass es auch ja klar ist. Hier eben mal nicht und das ist so wohltuend. Es steckt viel zwischen den Zeilen. Und ich glaube nicht, dass viele Leute dem Film 6 Sterne geben würden. Wer möchte schaut sich die Kritik auf der FAZ-Seite an. Die treffen's besser. Und ich war mit mehreren Leuten im Kino. Waren alle beeindruckt von dem Film. Herr Robrahn, Herr Staake - Danke sehr für eure vielen schönen Kritiken! Bitte geht solche Filme selbst an.
Herzlichen Gruss!
Micha

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Pflichte dem Vorredner bei. Mir völlig unverständliche Filmkritik. Ihr polarisiert gerne und zurecht. Ich lese euch deshalb regelmäßig und gerne. Normalerweise habt ihr den Blick für Zwischentöne, Nuancen und Freude am intellektuellen Kino. Dass "Only lovers left alive", dem man, entgegen seines intellektuellen gehabes, sehr wohl kritisieren sollte, nicht bewertet wird und nun "all is lost" so abgestraft wird, mit so einer lieblos-kurzen rezension geradezu abgefertigt wird, ist wahrlich enttäuschend... das ist irgendwie einfallslos und geradezu krampfig um Provokation bemüht. Deplatziert.

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8
8/10

Ich kann die Bewertung nachvollziehen. Auch ist er aus Segler Sicht wohl nicht seht authentisch. Wir fanden ihn dennoch unterhaltsam und keineswegs langweilig!

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8
8/10

Ein Film mit Anspruch, ohne nun auf gewaltige Aktion und Effekte zu setzen. Ein sehr gutes Werk für diese wortarme One-Man-Show von RR. Allerdings unabhängig von Seglerexperten die wohl mehr Kritikpunkte anführen würden, habe ich nicht verstanden, warum vor allem bei Nacht, auf die Signalrakete die Besatzung des Containerschiffes (anscheinend) nicht reagiert. Soll die Reaktion darauf die letzliche Rettung sein ? Hmmm.

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