"Die wilden Siebziger!" - Staffel 2 auf DVD

von Simon Staake / 21. August 2011

Point Place, Wisconsin, Ende der 1970er Jahre. In der Clique von Eric Forman (Topher Grace) hat sich nicht viel verändert, seit wir sie das letzte Mal sahen. Chefzyniker Hyde (Danny Masterson) lebt noch immer im Haus der Formans und genießt es, die üblichen Familienstreitigkeiten zwischen Eric und seinem grummeligen Vater Red (Kurtwood Smith) oder seiner zickigen Schwester Laurie (Lisa Robin Kelly) weiter anzustacheln. Eric versucht derweil, seine Beziehung mit Nachbarin Donna (Laura Prepon) weiter voranzutreiben, genauer: bis zum ersten Mal. Und während Fes (Wilder Valderama) sich müht, überhaupt eine Freundin zu bekommen, hat Volldepp Kelso (Ashton Kutcher) derer eine zuviel: Seine reguläre Freundin Jackie (Mila Kunis) betrügt er mit Laurie, was sich im Laufe der Zeit als immer schwieriger geheim zu halten erweist. Und über allem wacht mit robustem Humor und schriller Lache Erics Mutter Kitty (Debra Jo Rupp). Wird Eric endlich seine Unschuld verlieren? Wird Jackie Kelso auf die Schliche kommen? Und kann Fes endlich eine Frau für sich begeistern? Diese und weitere Fragen werden im Verlauf der zweiten Staffel von "Die Wilden Siebziger!" beantwortet, die mittlerweile auf DVD erschienen ist.

Diese zweite Staffel brachte einige kleinere Neuerungen, von denen fast alle äußerst gelungen waren: Wichtigste Änderung war die Erweiterung des Ensembles. So ist Lisa Robin Kelly als Erics fiese Schwester Laurie nun reguläres Mitglied der Besetzung, was oft in herrlich bösen Wortduellen der Geschwister endet. Noch viel komischer sind diesbezüglich aber die sarkastischen Kommentare von Mutter Kitty über das lasterhafte Leben ihrer Tochter.
Der beste Besetzungscoup gelang den Machern der Serie aber mit Tommy Chong, der weniger bekannten Hälfte des Ende der 1970er Jahre erfolgreichen US-Komikerduos "Cheech & Chong" (mit dem aus Robert Rodriguez' Filmen wie "Desperado" und ‚From Dusk Till Dawn" bekannten Cheech Marin). Tommy Chong spielt konsequent den gleichen immerzu zugedröhnten Stoner wie damals, das aber zweifellos grandios. Als Leo, Besitzer des Fotogeschäfts in dem Hyde einen Job bekommt, belebt er jede Folge, in der er auftritt.
Auch anderswo bediente man sich bei echten Helden der Epoche. So wird der Titelsong der Serie (konsequent "That 70's Song" betitelt) jetzt von den Powerpoppern und Stadionfüllern der späten 1970ern, Cheap Trick, gesungen, und das noch ein ganzes Stück besser als die in der ersten Staffel noch von einem gewissen Todd Griffin intonierte Version.

Herrlich komisch ist das Ganze noch immer, auch wenn die Serie die Spritzigkeit und den Gagfaktor der ersten Staffel nicht ganz aufrecht halten kann. Dies hat allerdings auch mit den fortlaufenden Storylines zu tun. Die Frage, ob und wann Eric und Donna nun endlich miteinander schlafen, bestimmt die ersten zwei Drittel der Staffel und beizeiten bremst das doch den Schwung und konstanten Witz, an den man sich nach der wirklich urkomischen ersten Staffel gewöhnt hat.
Komischerweise folgen der Auflösung dieses Erzählstrangs dann gleich zwei der besten, weil auch innovativsten Folgen. In "Das erste Mal" stellt sich Fes unter Marihuana-Einfluss vor, wie es wäre, wenn sie alle Comicfiguren wären - und schwupps wechselt die Serie für die nächsten Minuten in eine Zeichentrickvariante. In der darauffolgenden Episode "Rendezvous mit Mom" muss Eric mit seiner Mutter ins Kino und die per Off-Kommentar dargebotenen Gedankengänge von Mutter und Sohn während sie sich Woody Allens "Der Stadtneurotiker" (und besonders Diane Keatons Brustwarzen!) anschauen, sind wunderbar beobachtet und natürlich sehr witzig.

Es sind diese kleinen Spielereien und das genaue Auge für Details, die "Die wilden Siebziger" von der Masse der formelhaften Sitcoms abheben. Und dies lässt sich auch in den angesprochenen ersten zwei Drittel der Season immer wieder feststellen, sei es nun in der Staffelpremiere "Im Drogenrausch", in der Eltern und Kinder herrlich die Rollen tauschen (Eric belehrt den versehentlich von Haschkeksen zugedröhnten Red), oder die Folge "Dumm und dümmer", in der eine von Jackie geplante Dinnerparty nach allen Regeln der Komödienkunst (und unter kräftiger Mithilfe von Kelso) zu einem Desaster wird.
Das wichtigste Merkmal bleibt aber neben den punktgenauen Charakterisierungen und Darstellungen (wieder einmal gehören Kurtwood Smith und Debra Jo Rupp als die unverwüstlichen Eltern hervorgehoben) die Herzlichkeit der Serie, ohne dabei zu arg sentimental zu werden. Satire und Gehässigkeit sorgen für witzige Momente, ohne aber die Figuren ausschließlich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Und dies gilt dann sogar für Donnas leicht dämliche und sehr 70er-hafte Eltern Bob und Midge. Kurzum: Solange Red noch immer jemanden findet, dem er einen herzhaften Tritt in den Hintern androhen kann, und alle wissen wie's gemeint ist, ist alles gut in Point Place. Und das ist es hier.

Solide wie beim ersten Mal wird die Serie technisch präsentiert. Hinzugewonnen hat die zweite Staffel aber im Bereich Bonusausstattung. Seltsam dabei: Die Audiokommentare von Serienregisseur David Trainer, drei an der Zahl, werden auf der Verpackung gar nicht erwähnt. Vielleicht gar nicht so schlimm, denn richtig interessant sind diese eh nur für Hardcorefans. Trainer erweist sich als eher langweiliger Sprecher, der sich hauptsächlich auf die technische Umsetzung konzentriert. Da hätte man gerne einen etwas weniger trockenen Kommentar, vielleicht mit den Darstellern, gehört.
Trainer steht auch im Mittelpunkt einer etwa 13-minütigen Featurette, die allerdings durch zu viele Filmclips zu ihrer Länge kommt und in der der Regisseur auch nicht gerade viel Tiefschürfendes zu sagen hat. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass Trainer zwar als Stammregisseur der Serie alles richtig gemacht hat, als Kommentator seiner Arbeit aber oft nicht über Plattitüden hinauskommt. Befremdlich - und unfreiwillig komisch - nur sein Versuch, das in der Serie doch recht deutliche Grasrauchen (wohl für die konservativen US-Zuschauer) zu rationalisieren ("Der Rauch ist rosa! Das können auch Räucherstäbchen sein!").
Völlig verzichtbar sind der sogenannte Trailer, ein schon auf der letzten Box enthaltener müder Clipzusammenschnitt, und "Season 1: Ein Blick zurück", ein weiterer sinnloser Clip-Zusammenschnitt. Da bleiben dann als Hauptextra die sechs Webisodes, kleine fürs Internet erstellte Blicke hinter die Kulissen. Und die sind zumindest für Fans interessant, um Einblicke in die Produktion einer Sitcom zu bekommen und Blicke auf die Hauptdarsteller beim Blödeln auch vor und nach ihrer Arbeit zu erhaschen. Besonders viel Tiefe ist hier - wie im gesamten Bonusmaterial - nicht zu finden, aber schließlich hat man mit "Die wilden Siebziger" ja auch keine Verfilmung von "Krieg und Frieden" vor sich.

Man kann es sich dank der soliden technischen Umsetzung, einem akzeptablen Bonusbereich und der trotz kleinerem Abfall gegenüber der grandiosen ersten Staffel immer noch herrlich witzigen Serie also ohne Zögern ein zweites Mal im Keller der Formans bei Joints und Quatschgesprächen im Grasraucherkreis gemütlich machen.


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