Die Oscar-Verleihung 2015

von Volker Robrahn / 23. Februar 2015

Die Voraussetzungen für eine endlich mal wieder spannende und unterhaltsame Oscar-Show waren eigentlich gut. Acht starke Filme im Wettrennen um den „Besten Film“ und mit Neil Patrick Harris ein neuer Moderator, von dem sich viele schon im Vorfeld etwas frischen Wind und reichlich Witz versprachen. Vor allem diese Hoffnung erfüllte sich aber leider überhaupt nicht, denn die Darbietung von Harris entpuppte sich als die wohl uninspirierteste seit Jahren. Von den ohnehin nur dünn gesäten Gags ging kaum einer auf oder verendete dank fehlender Pointe im Nichts. Schon die Eröffnungsnummer war ein ziemlich müder und unentschlossener Mix aus ein bisschen Gesang und dem Ansprechen der nominierten Filme und Gäste. Wie lustlos das Ganze daherkam, wird erst recht im Vergleich mit dem Feuerwerk deutlich, dass dagegen Tina Fey und Amy Poehler vor wenigen Wochen bei den Golden Globes  abfeuerten. So richtig frech zu sein traute man sich bei der Academy auch nicht und die „mutigste“ Aktion war so dann noch der Auftritt von Neil Patrick Harris in Unterhose als nette kleine „Birdman“-Hommage.

Oscar

Womit er zumindest dem richtigen Film die Ehre erwiesen hatte, denn die Tragikomödie über einen um sein künstlerisches Comeback kämpfenden Schauspieler traf schließlich doch am stärksten den Nerv der Mitglieder der Akademie und sollte am Ende die beiden Hauptpreise für den besten Film und die beste Regie abräumen. Das von vielen erwartete Duell mit Richard Linklaters „Boyhood“ entschied der Vogelmann somit klar für sich, insgesamt standen am Ende vier Oscars für den Film von Alejandro Gonzales Inarritu einer einsamen Trophäe für die beste Nebenrolle gegenüber. Den ergatterte nicht unerwartet Patricia Arquette, die sich prompt mit einer engagierten Rede für die Gleichbehandlung der Frauen revanchierte. Auch sonst gab es bei den Darstellerpreisen ausschließlich Favoritensiege zu verzeichnen, sowohl J. K. Simmons als Neben-als auch Julianne Moore und Eddie Redmayne bei den Hauptdarstellern lagen im Vorwege bei den Buchmachern klar in Front.

oscar 2Überhaupt darf sich „Whiplash“ als einer der Gewinner dieser Nacht fühlen, denn insgesamt drei Auszeichnungen sind mehr als man im Vorfeld erwarten durfte. Zweiter Überraschungssieger der Veranstaltung ist Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“, der mit vier Oscars sogar zahlenmäßig gleichauf mit „Birdman“ liegt, diese allerdings ausschließlich in Nebenkategorien holte. Ganz leer (wie noch letztes Jahr „American Hustle“)  ging von den als „bester Film“ Nominierten aber diesmal keiner aus, mindestens eine Statue gab es daher auch für „Selma“ (bester Song), The Imitation Game“ (Drehbuch) und „American Sniper“ (Tonschnitt).

Und der deutsche Faktor? War dieses Jahr von vornherein nur sehr minimal vertreten und Wim Wenders wird wohl auch nicht ernsthaft mit einer Auszeichnung für seinen Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“ gerechnet haben. Jubeln (und sich heute in diversen Nachrichtensendungen selbst dafür feiern) darf dagegen der NDR als Co-Produzent des Doku-Gewinners „Citizenfour“ über Whistleblower Edward Snowden – da der Mann ja nun nicht in allen amerikanischen Gesellschaftskreisen als Held verehrt wird, ist diese Wahl allemal ein beachtliches Zeichen.

oscar 3Es stellt sich allerdings schon die Frage, ob das Konzept dieser mehrstündigen Show nicht doch dringend einer Überarbeitung bedarf. Daran, dass die wichtigsten Preise erst ganz zum Ende verliehen werden wird man zwar aus dramaturgischen Gründen kaum etwas ändern können, doch dagegen wie sehr sich die Veranstaltung vor allem in der ersten Hälfte zieht müsste doch etwas zu machen sein. Denn neben den zahllosen Werbeeinblendungen nehmen zusätzlich auch die Einzelvorstellungen der wichtigsten Filme sowie die Darbietungen der nominierten Songs enorm Tempo aus der Show – vor allem wenn diese fast ausnahmslos so bedächtig und getragen daherkommen wie in diesem Jahr. Auffällig auch, dass außer den aktuell Nominierten selbst kaum weitere große Hollywood-Namen im Zuschauerraum oder unter den Laudatoren zu finden waren. „Wer nicht unbedingt muss oder was gewinnen kann, geht auch gar nicht erst nicht hin“, scheint im Moment das Motto zu sein und auch das sollte zu denken geben.

Die vollständige Liste der diesjährigen Oscar-Gewinner:

BESTER FILM

Birdman

BESTE REGIE
Alejandro Gonzales Inárritu (Birdman)

BESTER HAUPTDARSTELLER

Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit)

BESTE HAUPTDARSTELLERIN

Julianne Moore (Still Alice)
 

BESTER NEBENDARSTELLER
J.K. Simmons (Whiplash)

BESTE NEBENDARSTELLERIN

Patricia Arquette (Boyhood)
 

BESTER FREMDSPRACHIGER FILM
Ida (Polen)
 

BESTES ORIGINAL-DREHBUCH

Birdman
 

BESTES ADAPTIERTES DREHBUCH

The Imitation Game

 

 BESTER ANIMATIONSFILM
Baymax - Riesiges Robowabohu


BESTE KAMERA
Emmanuel Lubezki - Birdman


BESTE KOSTÜME
Grand Budapest Hotel
 

BESTER SCHNITT
Whiplash
 

BESTE MASKE
Grand Budapest Hotel
 

BESTE FILMMUSIK
Grand Budapest Hotel (Alexandre Desplat)
 

BESTER ORIGINAL-SONG
"Glory" aus "Selma"
 

BESTE AUSSTATTUNG
Grand Budapest Hotel
 

BESTER DOKUMENTARFILM
Citizenfour
 

BESTE KURZDOKUMENTATION
Crisis Hotline: Veterans Press 1
 

BESTER ANIMIERTER KURZFILM
Feast

BESTER KURZFILM
The Phone Call

BESTER TONSCHNITT
American Sniper
 

BESTER TON
Whiplash
 

BESTE VISUELLE EFFEKTE
Interstellar
 


Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.