Say Anything

Originaltitel
Say Anything
Land
Jahr
1989
Laufzeit
100 min
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

Teen Lover - DVD
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Es ist eine der ehrlichsten Szenen im an ehrlichen Gefühlen traurig armen Subgenre der Teenie-Lovestory, die alles zusammenfasst, was "Say anything" zu einem durch und durch außergewöhnlichen Film macht: Lloyd Dobler steht vor dem Haus seiner großen Liebe Diane Court, die aus ihm unerfindlichen Gründen mit ihm Schluss gemacht hat, und hält wortlos seinen Ghetto Blaster in die Höhe, aus dem Peter Gabriels "In your eyes" erklingt. Eine Geste von solcher Theatralik, wie sie nur ein emotional völlig aufgewühlter Teenager hinbekommt - und doch weiß kaum ein Film diese Gefühlsintensität einzufangen. Ein Moment von reinstem Herzschmerz, der jeden Zuschauer berührt und mitfühlen lässt - nicht ohne Grund wurde "Say anything" Anfang 2002 von der amerikanischen Film- und Unterhaltungszeitschrift "Entertainment Weekly" zum schönsten Liebesfilm der letzten zwanzig Jahre gekürt. Und eine perfekte Symbiose von Bild und dem die darin steckenden Gefühle brillant einfangenden Soundtrack, wie sie in solcher Leichtigkeit nur einer hinbekommt: Regisseur und Autor Cameron Crowe. Der wurde als jüngster Reporter in der Geschichte des Rolling Stone Magazine - Anfang der 70er ging er mit zarten 15 Jahren mit allen Größen der Rockmusik auf Tour, eine Zeit, die er später in seinem ebenfalls genialen "Almost Famous" auf Zelluloid bannte - zu einer kleinen Journalisten-Legende, und ist heute der Filmschaffende mit dem wahrscheinlich besten Gespür für den richtigen Song zur richtigen Szene (selbst Kritiker, die mit Crowes jüngstem Film "Vanilla Sky" nicht klar kamen, mussten eingestehen, dass der Soundtrack mal wieder erste Sahne war). Dass diese schönste, ergreifendste und beste aller Teenie-Lovestories in Deutschland bis heute fast gänzlich unbekannt ist, bleibt dem damaligen Verleih zu verdanken, der den Film nicht nur mit dem wahnsinnig dämlichen deutschen Titel "Teen Lover" strafte, sondern auch mit einer grottenschlechten Synchronisation. Unter dem gleichen Titel ist der Film inzwischen auch in Deutschland auf DVD erschienen, so dass nun auch ein breiteres Publikum als die emsig in englischsprachigen Videotheken wühlenden Insider diesen Schatz entdecken kann.

"Say anything" war Crowes Debüt als Regisseur, nachdem er bereits das Drehbuch zu der in Amerika Kultstatus genießenden Highschool-Klamotte "Fast Times at Ridgemont High" verfasst hatte, und ist die Geschichte von der etwas ungewöhnlichen Liebe zwischen zwei Teenagern, wie sie in anderen Filmen höchstens als Nebenfiguren auftauchen: Diane Court (das schauspielerische One-Hit-Wonder Ione Skye) ist die musterhafteste Musterschülerin, die man sich nur vorstellen kann. Mit perfekten Noten, vielen außerschulischen Aktivitäten und als herausragende Jahrgangsbeste ist Diane der wohlbehütete Stolz ihres Vaters (John Mahoney), und der Weg in eine große Zukunft ist perfekt, als sie ein heiß begehrtes Stipendium für eine englische Elite-Universität erhält. Verpasst hat Diane dafür alles, was an der Schulzeit sonst Spaß macht: Von allen Mitschülern als die unerreichbar brillante Prinzessin angesehen, ist Diane von den üblichen Ritualen einer wilden Jugend völlig unberührt. Lloyd Dobler (John Cusack) ist das absolute Gegenteil: Aufgewachsen in einem Haushalt permanent abwesender Eltern kennt Lloyd die Härten des Alltags ebenso wie alles, was sonst zu einer normalen Schulzeit dazu gehört, was er indes nicht hat, ist eine Perspektive für die Zukunft. Lloyds klar formulierte Karrierepläne sind zu schön, um hier nicht in aller Ausführlichkeit wiedergegeben zu werden: "I don't want to sell anything, buy anything, or process anything as a career. I don't want to sell anything bought or processed, or buy anything sold or processed, or process anything sold, bought, or processed, or repair anything sold, bought, or processed. You know, as a career, I don't want to do that."
Nichts an den beiden passt zusammen, und dennoch lässt Lloyd zu Beginn des Films seine zwei besten Freundinnen wissen: Ich werde Diane Court nach einem Date fragen. Und tatsächlich: Nach zwei wundervoll unsicher-ehrlichen Telefonaten erscheint Lloyd mit Diane zur Überraschung aller Anwesenden auf einer Party und wird so ihr Fremdenführer in der ihr bis dato unbekannten Welt der Highschool-Parties. Als Lloyd sie schließlich am nächsten Morgen nach Hause bringt, ist es um Diane eigentlich schon geschehen - auch wenn weder sie noch ihr mit Argusaugen wachender Vater das eingestehen wollen. Nur ein paar Wochen ist ihr Abflug nach England in eine bessere Zukunft entfernt, und für ihren Vater ist Lloyd nur eine unliebsame Ablenkung auf dem großen Weg seiner Tochter. Doch mit der Überzeugung und Zielstrebigkeit, die ihm selbst in Fragen der Zukunftsplanung fehlt, verfolgt Lloyd die eine Sache, die er wirklich will und kann: "I wanna be with your daughter. I'm good at it."

"Say anything" traut sich mehr als andere Teenie-Filme: Schon allein durch die zeitliche Positionierung der Handlung im Sommer nach dem Schul-Abschluss zeigt er, dass es sehr wohl ein Leben nach dem Highschool-Prom gibt, und dass es eine Zukunft gibt, über die sich die Prinzen und Prinzessinnen in anderen realitätsfernen Schmalzfetzen völlig unbewusst zu sein scheinen. Er traut sich, zwei Figuren zu seinen Helden zu wählen, die erst einmal geformt werden wollen, und sich nicht - wie die handelsübliche Mischung aus Football-Kapitän, Cheerleader und hässlichem Entlein - schon über ihre Rollenfunktion im sozialen Mikrokosmos Highschool ausdefinieren. Und er traut sich vor allem, eine im Kino ansonsten nicht existente Art von Beziehung zwischen Kind und Eltern darzustellen. Denn es ist das besondere Verhältnis zwischen Diane und ihrem Vater James, für den sie sich nach der Scheidung ihrer Eltern entschieden hat, das dem Film seinen Titel gibt: Mit dem gegenseitigen Versprechen von absoluter Offenheit und Ehrlichkeit (eben sich alles sagen zu können) sind die beiden mehr als Vater und Tochter, sie sind beste Freunde. Ein Verhältnis, dass nicht nur den entscheidenden Stolperstein für Dianes Liebe zu Lloyd darstellt, sondern auch alle Beteiligten auf eine harte Probe stellen wird, als sich herausstellt, dass der in allen Belangen vorbildlich wirkende James auch eine Leiche im Keller hat.
"Say anything" ist ehrlicher und echter als andere Teenie-Filme: Die Probleme, die Diane und Lloyd bei ihrem Glück im Weg stehen, sind keine durchschaubaren Plotwendungen, um das Happyend hinauszuzögern, sondern Dinge von genug Bedeutung, dass auch eine reelle Beziehung daran zerbrechen könnte und würde. Nicht nur der in jungen Jahren noch so enorme Herzschmerz wird in seltener Klarheit eingefangen: Der erste Sex ist hier ein wahrlich markerschütterndes Ereignis, das Schlussmachen tut auch beim Zuschauen noch weh, und die kleinen romantischen Details könnten auch im wahren Leben die endgültige Erkenntnis bringen, endlich bei der richtigen Person gelandet zu sein. Die Emotionen sind hier von einer überlebensgroßen Reinheit, eben so pur, naiv und kraftvoll, wie sie einen nur als Teenager treffen. Lustigstes aber auch ehrliches Beispiel dafür: Lloyds beste Freundin Corey (Lili Taylor in kongenialer Nebenrolle), die von dem Herzensbrecher Joe sitzen gelassen wurde, und seitdem 65 Songs über ihn geschrieben hat - 65 Songs über Trennung, Schmerz und Dunkelheit. Mit solch leidenschaftlicher Intensität stürzt man sich nur in den Strudel seiner Gefühlswelt, wenn alles noch neu und besonders ist - eben als Teenager.
"Say anything" ist alles, was andere Teenie-Filme sind, nur ein bisschen mehr - und spätestens hier kommt das enorme Talent Cameron Crowes als Autor zum Tragen. Was die Kreierung zwischenmenschlicher Dialoge betrifft, so findet man in der heutigen Filmwelt kaum jemanden, der Dinge so elegant, subtil und prägnant auf den Punkt bringt wie er. Seine Zeilen werden getragen von einer natürlichen Leichtigkeit, die nur ganz wenigen Autoren gegeben ist, und so alles noch ein wenig lustiger, ein wenig romantischer, ein wenig dramatischer macht. Crowe besitzt die Gabe, nicht nur eine herzzerreißend schöne Liebesgeschichte schreiben zu können, sondern diese auch noch so echt wirken zu lassen, dass man tatsächlich glauben mag, das könnte Wirklichkeit werden. Allen hoffnungslosen Romantikern gibt Crowe den Glauben an eine bessere Welt zurück - und wenn es nur für knapp zwei Stunden ist. Wenn das Kino ein Ort ist, um sich verzaubern zu lassen, ist "Say anything" einer der besten Tricks, die es dort je zu sehen gab.


10
10/10

der film ist ein grandioser klassiker. in seinem genre sucht er seinesgleichen! und peter gabriels lied passt auch einfach zu gut.

jeder der einen funken romantik in sich hat und ähnlich planlos nach seiner schullaufbahn war kann sich in diesem film wiederfinden und sich erinnern welch schöne zeit es doch damals war!

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10
10/10

"Say Anything..." ist ohne Frage eine kostbare Perle - aber die von Frank-Michael Helmke geschriebene Filmkritik ist ebenfalls ein strahlender Beweis für eine exzellente Rezension. Mit größtem Vergnügen habe ich den Film gesehen und die Kritik gelesen. Für beide gibt es guten Gewissens 10 Augen und ein zwinkerndes dazu! ;-)

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