Man kann nicht sagen, dass er sich damit keine Mühe gegeben hat: Über zwei Jahre Arbeit und stolze 18 Millionen Dollar Budget wurden in den Transfer investiert, von dem man entsprechend auch sagen kann, dass er wohl das Bestmögliche herausgeholt hat. Das Filmerlebnis "Titanic" wird dadurch jedoch nicht signifikant verändert, da der Film nicht für den 3D-Effekt konzipiert wurde und der Unterschied zur alten Fassung sich daher (lediglich) in einem generellen Gefühl von mehr Tiefe, Räumlichkeit und zusätzlicher Dynamik niederschlägt.
Wenn man also auch von dieser 3D-Konvertierung keine Wunderwerke erwarten darf, so bietet sie dennoch die nicht zu verachtende Gelegenheit, einen der größten und spektakulärsten Filme aller Zeiten noch einmal frisch auf Hochglanz poliert auf der großen Leinwand erleben zu können. Denn warum "Titanic" definitiv zu den herausragenden Werken der Filmgeschichte gehört, dazu mehr in unserer folgenden, ursprünglichen Gold-Rezension zum Film.
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Der Chef hat gesagt, es sei verdammt schwierig, "Titanic" in die "Gold"-Rubrik zu argumentieren. Also gut. Versuchen wir's, denn dieser Film hat's wirklich verdient. Vergessen wir dazu aber bitte zumindest vorübergehend die gigantische Schmonzette, die James Cameron um Jack und Rose zusammengefilmt hat, alles "Ich-bin-der-König-der-Welt"-Geschrei auf dem Schiffsbug, ja, auch die ach so romantische Entjungferung auf dem Rücksitz des Oldtimers im Laderaum kurz vor der Katastrophe, und natürlich auch das eisige Ende in den Fluten des Nordatlantik. Vergessen wir mal ganz kurz die Ozeane von Tränen, die ob dieser ganzen Rührseligkeit geheult worden sind - derart ausgiebig, dass die gute alte Titanic wahrscheinlich hundert Jahre lang bequem täglich aufs Neue in frischgeweintem Salzwasser absaufen könnte. Vergessen wir das also alles - aber bleibt dann überhaupt noch was übrig von diesem Film?
Allerdings, und sogar eine ganze Menge. Dann bleibt das, worüber man getrost ganz real ein paar Tränchen verdrücken darf, weil es sich im Unterschied zur arg Taschentuch strapazierenden Jack-und-Rose-Story wirklich zugetragen hat, und was den Film zu einem großen Werk der Kinogeschichte macht: Die ungeheure Tragödie des schönsten, größten, schnellsten, vornehmsten und angeblich sichersten Schiffs seiner Zeit - einer technikbegeisterten und derart optimistischen Zeit, dass es uns in Zeiten von Hartz IV, Feinstaubalarm und globalem Terrorismus schlicht unvorstellbar erscheint. Anfang des 20. Jahrhunderts, als die industrielle Hochblüte der westlichen Welt gewaltige Bauwerke und ebenso gewaltige Privatvermögen entstehen ließ, blickte die Menschheit mit Eifer und Freude in die Zukunft, sicher in der Erkenntnis, die Schöpfungskraft der Natur übertroffen zu haben. James Cameron erzählt auf meisterhafte Weise vom brutalen Ende eines neuartigen und doch uralten technischen Traums, vom ersten Traumschiff der Welt wahrscheinlich, das - erfinden dürfte man so eine unwahrscheinliche Geschichte gar nicht - ausgerechnet auf seiner Jungfernfahrt von Southampton nach New York am 14. April 1912 einen Eisberg rammt, weil der schwache alte Kapitän, getrieben vom skrupellosen Reedereiteilhaber, möglichst schnell in Amerika ankommen will. Das Schiff sinkt, nur sind viel zu wenig Rettungsboote an Bord, weil es ja für unsinkbar galt....
Die Geschichte dürfte eine der bekanntesten aller Zeiten sein, aber das nimmt ihr nichts von ihrer grausigen Größe. Innerhalb von hundertsechzig Minuten ist der riesige Ozeanliner, den Bug voran, im vier Grad kalten Wasser verschwunden - mehr als anderthalbtausend Menschen kommen elend um, und ein unsterblicher Mythos wird geboren. Kein leichter Stoff also, um daraus einen Film zu machen, und zugleich der allerleichteste, den man sich denken kann. Denn was könnte faszinierender sein als ein solches Drama von unerhörter Überheblichkeit, von der leichtsinnigen Verblendung, der Mensch sei der Natur nun endlich Herr geworden? Da stört dann auch die massentaugliche und wohl unvermeidliche Liebesgeschichte der zwei Königskinder nicht mehr, die zusammen nicht kommen durften (auch weil das Wasser viel zu tief war). Ohnehin sollten Jack und Rose nie den Blick auf das eigentliche Spektakel verstellen, weshalb auch gezielt die damals noch weniger bekannten Jungtalente Leonardo Di Caprio und Kate Winslet gecastet wurden. Dass ihre Karrieren nach diesem Film nie mehr dieselben waren (was natürlich vor allem für den nachfolgend auf ewig als Babyface-Posterboy verschrienen Di Caprio gilt), ist nur eine von vielen Geschichten darüber, wie der Erfolg dieses Films die Hollywood-Landschaft veränderte.
Cameron fabriziert hier einen großartigen Meilenstein des an bombastischen Werken nicht eben armen Genres "Historischer Katastrophenfilm" - nicht nur, weil hier zum ersten Mal ausgiebig der Computer zum Einsatz kam, um den Großteil des Schiffes erst nachträglich herzustellen: Er schmiedet erst mit enormem Aufwand einen detailversessenen Bausatz von Eleganz, Größe und Anmaßung zusammen, um ihn dann auf unvergessliche Weise zu zerstören. Der langsame, aber unerbittliche Untergang des Schiffes ist in seiner ästhetisch, technisch und dramatisch überzeugenden Inszenierung eine der großen Leistungen der Traumfabrik, die auch immer mal wieder zur Alptraumfabrik geworden ist - aber selten so beeindruckend wie in diesem Fall.
Cameron geht mit solcher Akribie ans Werk (angeblich musste der halbe Film noch einmal nachbearbeitet werden, weil sich in der ersten Fassung eine Schiffsschraube noch drehte, während sie sich aus dem Wasser hob) und kreiert dadurch ein derart überzeugendes, mitreißendes Portrait dieser Katastrophe, dass man das für Hollywood notwendige Beiwerk ganz gut verzeihen kann: die schmalztriefende (und fiktive) Geschichte vom dritte Klasse fahrenden Underdog, der sich in die reiche Prinzessin verliebt. Das ist zwar die Geschichte, die "Titanic" zum epochalen Blockbuster unserer Zeit gemacht hat, und sie ist auch der Grund, warum der Film bei vielen - zu Unrecht - ganz furchtbar verschrien ist - sie ist aber auch eine Story, die zu dem ganzen leidenschaftlich ausgearbeiteten Gesellschaftsportrait, mit dem sich der erste Teil des Films befasst, völlig querläuft.
Denn die Familien, die durch die Heirat von Rose Dewitt Bukater (Kate Winslet) und Cal Hockley (Billy Zane) verbunden werden sollen, verkörpern den Übergang zur neuen Zeit geradezu beispielhaft: Sie aus einer alteingesessenen Familie der High Society, er neureicher Industrie-Emporkömmling - der Adel des 20. Jahrhunderts. Ihre Verbindung soll guten Ruf und finanziellen Wohlstand für beide sichern - die Mitgliedschaft in den oberen Zehntausend, für die das neue Jahrhundert tatsächlich unbegrenzte Möglichkeiten bereitzuhalten schien. Der Ehemann in spe ist ein arrogantes Ekelpaket, genauso von sich eingenommen und von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt wie die Konstrukteure des Schiffs, auf dem er mit seiner unglücklichen Verlobten nach Amerika reist. Statt fetziger irischer Tänze, aufregender Aktzeichnungen und einem freizügigen Leben als Künstlergattin warten oben in der ersten Klasse nur das verhasste Fischgrätenkorsett, geistreich-stumpfsinniges Tischgeplauder und die tödliche Langeweile einer Ehefrau der gehobenen Kreise. Rose teilt das Schicksal von Millionen ihrer Altersgenossinnen damals - eine Zweckheirat. Überhaupt quert da nicht nur ein luxuriöser Ozeandampfer den Atlantik, sondern hat sich da die ganze angelsächsische Welt ihrer Zeit an Bord begeben, in Person etwa von Milliardär John Jacob Astor und dem Industriellenerben Benjamin Guggenheim - ein Mikrokosmos auf hoher See, der die scheinbar gottgegebene Klassengesellschaft des noch scheinbar intakten 20. Jahrhunderts abbildet.
Als der Eisberg den Schiffsrumpf aufgeschlitzt hat, stellt Schiffszimmermann Thomas Andrews (Victor Garber) kurz vor Mitternacht denkbar knapp fest: "Dieses Schiff wird sinken." Recht hat er, und in den folgenden zweieinhalb Stunden (Echtzeit, aber im Film sind es nicht viel weniger) löst sich das ganze glänzende soziale Gefüge an Bord in Chaos und Verzweiflung auf. Hier beginnt der Film überhaupt erst richtig, und hier findet James Cameron eine solche Masse - wäre es nicht geschmacklos, müsste man sagen: eine solche Flut - großer, schaurig-schöner Bilder, dass einem trotz des buchstäblich eisigen Klimas an Bord der Schweiß ausbricht. Natürlich hat er leichtes Spiel, denn ein Teil der Episoden ist authentisch - so das Bordorchester, das bis zum bitteren Ende die Passagiere mit Schlagern und Klassik unterhält, das alte Ehepaar Strauss (Elsa Raven und Lew Palter), das sich beim Ruf "Frauen und Kinder zuerst!" weigert, sich trennen zu lassen, und stattdessen lieber im Ehebett seiner Kabine den feuchten und sicheren Tod erwartet, und die Milliardärsgentlemen, die auf der prachtvollen Innentreppe im feinsten Zwirn, mit entsetzensstarrem Blick und dem Brandy in der Hand die todbringenden Wassermassen hereinbrechen sehen.
Man kann sich aber auch, wenn man sich von den dutzendweise dargebotenen himmelschreienden menschlichen Dramen nicht allzu sehr beeindrucken lassen möchte, einfach der zugegeben morbiden technischen Faszination hingeben, aus nächster Nähe die Agonie eines tödlich verwundeten Kolosses zu beobachten. Wie das Wasser Türen eindrückt und durch die engen Korridore flutet, wie es in herrlichem Türkis die Scheiben der Kommandobrücke implodieren lässt, wie die Schornsteine sich mit unwiderstehlicher Urgewalt aus ihrer Verankerung reißen, wie sich schließlich das gewaltige Heck aus dem Wasser hebt und die Planken des Promenadendecks splittern - all das ist von Cameron derart hautnah und tatsächlich stilvoll in Szene gesetzt, dass sich der Zuschauer solcher Bildgewalt kaum entziehen kann. Die Tonspur tut ihr Übriges - es ächzt und kracht und stöhnt, als sich der geschundene Schiffskörper aufbäumt, dass es nur so eine Art hat. James Horners Musik (die im Zuge des unglaublichen Erfolgs des Films zum meistverkauften Soundtrack aller Zeiten aufstieg), die die Kollision mit dem Eisberg noch durch gewaltige Schläge untermalt hatte, geht mit dem Schiff erst einmal unter; zurück bleibt nur das hundertfache, ohrenbetäubende, markerschütternde Geschrei der Erfrierenden und Ertrinkenden in der sternenklaren Aprilnacht - einer der beeindruckendsten, weil erschreckendsten Momente der ganzen dreieinviertel Stunden.
Wem das aber auch nicht reicht, der mag einen Blick auf die Passagiere in Todesangst werfen, die sich kurz vor dem Ende um den Schiffspfarrer (James Lancaster) gedrängt haben, der angesichts einer solchen Katastrophe auch nur noch die Worte der Offenbarung stammeln kann: "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde... Das Alte ist vergangen... ist vergangen..." Es sind dieselben Passagiere, die zwei Tage zuvor im feierlichen Sonntagsgottesdienst noch für die armen Seelen in Seenot, "for those in peril on the sea" gebetet hatten - ohne zu ahnen, dass sie da von sich selbst sangen. Zu diesem Zeitpunkt ist das letzte Stück der Bordkapelle, sinnigerweise ein irischer Choral des Titels "Nearer my God to Thee", schon längst verstummt, gilt schon die Devise "Every man for himself!", und das Unvorstellbare steht übergroß vor aller Augen. Als das Drama zu Ende ist, das Schiff aus der realen in die Welt der Erinnerung verschwunden, kommt einem unweigerlich Ismael in den Sinn, der einzige Überlebende aus "Moby Dick": Das große Leichentuch, die See breitet sich tatsächlich glatt und schwarz über solche unerhörte Not.
Natürlich kommt auch die Geschichte von Jack und Rose an dieser Stelle zu ihrem unvermeidlichen Höhepunkt, der angesichts des versunkenen Schiffs freilich eher ein Tiefpunkt ist. Der Katastrophenfilm "Titanic", der völlig zu Recht mit Oscars in den technischen Kategorien überhäuft worden ist, ist da aber eigentlich schon vorbei, seine Goldmedaille hat er sich da schon längst verdient - nicht zuletzt durch seine schonungslose Darstellung, die dem massenhaften Sterben an Bord alles Verklärende und Rule-Britannia-hafte nimmt, wie es etwa die Verfilmung von 1953 mit Barbara Stanwyck und Clifton Webb allzu breit auswalzte. Camerons fast schon voyeuristischer Blick entkleidet die langen drei Stunden der Katastrophe bis auf ihre Substanz: den Kampf ums nackte Überleben, bei dem das kalte Salzwasser die dünne Schicht der Zivilisation erschreckend schnell weggewaschen hat.
Das "Alte" war mit diesem Schiff tatsächlich vergangen. In einer großartigen Szene stellt Schiffszimmermann Andrews nur Minuten, bevor die Titanic endgültig Richtung Meeresgrund sackt, noch die Uhr im großen Speisesaal wieder ein wenig zurück auf die richtige Zeit - ein Detail, das in seiner ganzen Absurdität die verlorene Unschuld des zwanzigsten Jahrhunderts offenbart: Die überkommene Ordnung ist nicht wiederherzustellen, wo bereits die ganze Welt in Schieflage geraten ist. Am 15. April 1912 gegen 2.20 Uhr geht die Titanic im Atlantik vor Neufundland unter. Zweieinhalb Jahre später versinkt das alte Europa im Krieg.
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